„One Hit Wonder“ gibt es im Black Metal eher selten. Zum einen eignen sich die wenigsten Black-Metal-Songs als „Hit“, zum anderen reicht selten ein solcher Song, um Berühmtheit zu erlangen. TORMENTOR kann man dennoch getrost als „One Hit Wonder“ bezeichnen, wenngleich es dabei noch der Hilfe von Dissection bedurfte, die ihren Song „Elisabeth Bathory“ durch eine Coverversion weltbekannt machten.
Sieht man von diesem Stück ab, ist das Werk der Band um einen gewissen Attila Csihar, der später mit Mayhem und deren „De Mysteriis Dom Satanas“-Album Black-Metal-Geschichte schrieb, überschaubar: Ein Live-Album aus dem Jahr 1986, zwei Demos aus den Folgejahren und eine Split auf Tape, so die Bilanz aus den ’80er-Jahren. Dazu kommen ein Bootleg (1998) und ein Studioalbum (2000), welches wahre Fans wohl nicht einmal zum Hauptwerk von TORMENTOR rechnen würden, weil es in anderer Besetzung aufgenommen wurde und stilistisch in eine andere Richtung geht.
Mit „Anno Daemoni: Hungarian Black Metal Night“ fügen die Ungarn ihrem Back-Katalog nun ein weiteres Live-Album hinzu, das ganz den Geist der alten Zeiten atmet: 2017 wiederbelebt, spielten TORMENTOR am 21. April 2018 zum 30-jährigen Bandjubiläum in Budapest das erste einer kleinen Reihe von Reunion-Konzerten. Mag die Ankündigung eine Überraschung gewesen sein, die Setlist ist es nicht: Wie kaum anders möglich, setzt sie sich aus der „Anno Domini“-Demo, gefolgt von den Songs der „The 7th Day Of The Doom“-Demo (abzüglich der bereits gespielten Songs und Interludes) zusammen.
Bereits beim kurzen Gitarren-Intro, gefolgt von „Tormentor I“ werden zwei Sachen klar. Erstens: In ihrer Heimat können sich TORMENTOR auch im 21. Jahrhundert noch auf eine solide Fanbase verlassen. Und zweitens: Es geht wohl nur authentisch oder gut.
Fraglos ist letztere These scharf formuliert. Tatsächlich lebt die Show – übrigens in überraschend professioneller Bild- und Tonqualität als DVD enthalten – zu großen Teilen von der rotzigen Spielweise, dem punkig-primitiven Gitarren und den fast schon souverän unsouverän vorgetragenen Soli, die im Mix – zum Glück – recht weit hinten gelandet sind. Was sich vielleicht zunächst negativ liest, verleiht dem Auftritt nämlich exakt jenen Charme, den man vielen Zeitdokumenten und Livemitschnitten (wie Mayhems „Live in Leipzig“) heute noch anhört, den man aber heute nicht mehr live erlebt – nicht zuletzt ob des Selektionsdrucks, der Band mit so bescheidenen technischen Fertigkeiten heute ein schnelles Karriereende bereitet. Denn soviel ist klar: Außer Attila steht hier kein herausragender Musiker auf der Bühne.
Ob es nun sonderlich Black Metal ist, Bands aus vergangenen Tagen wie TORMENTOR, Masters Hammer oder jüngst auch Hellhammer wiederzubeleben, sei dahingestellt. Aber wenn, dann genau so – auf in mancherlei Hinsicht fast dilettantischem Niveau, jedoch mit Herz und Hingabe.
Und genau deswegen ist „Anno Daemoni: Hungarian Black Metal Night“ das vielleicht authentischste Stück Black Metal, das seit den frühen 1990er-Jahren das Licht der Welt erblickt hat. Da macht es gar nichts, dass selbst „Elisabeth Bathory“ nicht so wirklich rund läuft – zumindest weder dem Publikum, das TORMENTOR ergeben feiert, noch dem Betrachter des Spektakels im heimischen Fernsehsessel. So lange dieser „echten“ Black Metal erwartet und keine irgendgeartet gepflegte Gitarrenmusik.
Wertung: 9 / 10