Interview mit Tobias Rydsheim von Wormwood

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Schon auf ihrem Debüt „Ghostlands: Wounds From A Bleeding Earth“ zeigten sich WORMWOOD mit ihrem Gemisch aus Melodic Black Metal, Folk und Classic Rock als überaus vielversprechende Newcomer. Mit dem noch ausgereifteren Nachfolger „Nattarvet“ haben sich die Schweden nun vollends zu einer ernstzunehmenden Band gemausert. Im folgenden Interview beantwortete uns Multi-Instrumentalist Tobias Rydsheim unter anderem Fragen über den Werdegang der Band sowie den ernsteren Ton und die historischen Hintergründe der neuen Platte.

Obwohl ihr noch eine recht junge Band seid, habt ihr schon eine recht ansehnliche Fangemeinde. Womit erklärst du es dir, dass schon so viele Leute auf euch aufmerksam geworden sind?
Nun, es ist eine Kombination aus unserer harten Arbeit, unserem Label und vielen Leuten, die einen guten Musikgeschmack haben. Es fühlt sich wirklich gut an, dass WORMWOOD wächst und immer mehr Leute erreicht.

Ihr mischt in eurer Musik melodischen Black Metal, dezente Folk-Elemente und Gitarrensoli, die ein wenig nach Classic Rock klingen – eine recht ungewöhnliche Mischung. Was hat euch zu diesem Stilmix inspiriert?
Wir waren noch nie eine Band, die sich nur auf eine Art von Sound konzentriert. Da es bei Musik – zumindest für mich – darum geht, ein Gefühl auszudrücken, denke ich, dass eine einzige, generische Art von Klang langweilig ist.
Wir haben uns nie eine Grenze gesetzt, was in WORMWOOD „erlaubt“ ist oder nicht, solange es allen in der Band gefällt.
Ich sage immer, dass ich mich nicht von anderer Musik inspirieren lasse, okay, ich schätze, das ist nicht ganz wahr, aber ich möchte, dass die Inspirationen von anderen Dingen als der Musik kommen. Wie etwa von der Natur, dem Leben im Allgemeinen, der Geschichte und verschiedenen Geisteszuständen.

Man könnte sagen, dass ihr einen ziemlich markanten, musikalischen Stil habt. Was hältst du demgegenüber von Bands, die lieber einen bereits etablierten Sound aufgreifen?
Ich denke, die meisten ernsthaften Songwriter versuchen, etwas Eigenes zu tun, was aber nicht unbedingt einzigartig sein muss. Aber zumindest der Wille, etwas zu vermitteln, das ihnen etwas bedeutet.
Andererseits sind viele Bands nur Kopien eines bereits etablierten Sounds.
Das einzige Wort, das mir in den Sinn kommt, um so etwas zu beschreiben, ist: laaangweilig.
Egal, ob es super gute Musiker in einer Band gibt, es geht um die Songs, die Stimmung und einen ehrlichen Ausdruck, der den eigenen Sound der Band definiert.

Mit „Nattarvet“ habt ihr kürzlich euer zweites Album veröffentlicht. Obwohl eure Songs diesmal ein wenig länger ausgefallen sind, ist die Platte als Ganzes etwas kürzer als „Ghostlands“. Würdest du rückblickend sagen, dass euer Debüt ein wenig überladen war?
Als wir „Ghostlands“ aufgenommen haben, wussten wir, dass die Songs sehr vielfältig sind. Glücklicherweise feierten die meisten Leute, die es hörten, diese Tatsache, wir waren nicht darauf vorbereitet, das kam nur als Bonus.
Ich glaube nicht, dass „Ghostlands“ überladen war, auch wenn die Frage durchaus relevant ist.
Ich bin immer noch stolz darauf. Aber wie bei allem anderen haben wir uns weiterentwickelt und neue Songs für „Nattarvet“ geschrieben. Es war nur ein natürlicher Schritt.
„Nattarvet“ hätte länger werden können, aber wir wollten die Songs auswählen, die wir für die besten hielten, also mussten ein paar Lieblinge vernichtet werden.

Ich habe den Eindruck, dass „Nattarvet“ nicht so zerstückelt, sondern etwas kohärenter ist als euer Debüt. War das beim Schreiben euer Ziel?
Wir wollten das, wovon wir glaubten, es habe auf „Ghostlands“ am besten funktioniert, wiederverwenden und mehr davon auf „Nattarvet“ umsetzen. Für das nächste Album denke ich, dass wir die besten Sachen von „Nattarvet“ auswählen und es auf Album Nummer drei noch besser machen werden.
Dabei muss ich sagen, dass es für einen Musiker sehr schwer ist, die eigenen Songs objektiv zu betrachten. Denn man kann nicht immer auswählen, wie sich ein Song entwickelt, wenn die Musik ehrlich sein soll.
Es sollte ganz natürlich zu einem kommen, von innen heraus, von der Seele.

Auf eurem neuen Album finden sich nicht mehr so viele Ohrwürmer wie „Godless Serenade“ oder fröhliche Folk-Metal-Tracks wie „Tidh Ok Ödhe“. Liegt das daran, dass es deiner Meinung nach nicht zu dem Textkonzept gepasst hätte?
Ja, das könnte man so sagen. Wir wollten diesmal dunkler und melancholischer klingen. Und die Leute scheinen mir darin zuzustimmen, dass wir es tatsächlich so umgesetzt haben.

Die Meinungen bezüglich eurer Entwicklung als Band gehen auseinander. Einige bevorzugen „Ghostlands“ wegen seiner Vielfalt und Eingängigkeit, andere sehen „Nattarvet“ als reifer an. Was denkst du über diese Reaktionen?
Da beide Alben von WORMWOOD sind, habe ich kein Problem damit.
Die Menschen haben unterschiedliche Geschmäcker. Für mich sind „Ghostlands“ und „Nattarvet“ in meinem persönlichen Musikgeschmack enthalten. Es ist schwer, allen zu gefallen, und das ist ohnehin nicht einmal der Grund, aus dem man Songs schreibt.

Der Titel „Nattarvet“ lässt sich, soweit ich weiß, mit „Vermächtnis der Nacht“ übersetzen. Was genau hat es damit auf sich?
Ja, wir verwenden die Übersetzung „Erbe der Nacht“.
Es gibt mehr als nur eine Bedeutung dahinter. Aber man könnte die Nacht als Metapher für die dunklen Seiten des Lebens betrachten, welche aber dennoch so schön sind.
Und als unser Erbe, etwas, das man von älteren Generationen erbt.
Kombiniert man das, dann ist das Konzept des Albums zwischen den Zeilen lesbar.
Ich muss aber sagen, dass es auf Schwedisch besser klingt als auf Englisch.

In den Texten befasst ihr euch mit den Hungersnöten im Schweden des 19. Jahrhunderts und anderen düsteren Geschichten. Wie seid ihr mit diesen Themen erstmals in Berührung gekommen?
Es ist eine bekannte Episode der schwedischen Geschichte, aber dennoch im Mainstream irgendwie vergessen.
Ich wuchs mit Familiengeschichten aus dieser Zeit auf, da ich Verwandte hatte, die das Ganze überlebten (genau wie alle anderen in Schweden, die nach der Hungersnot geboren wurden).
Diese Geschichten waren also immer in gewisser Weise präsent, und je älter ich wurde, desto interessanter wurden sie.
Also haben unser Sänger Nine und ich uns in die Sache vertieft, es war einfach ein Nerd-Interesse, und wir dachten, dass es gut zu unserer Musik passen würde, also wurde es zum Hauptkonzept für die Platte.

Die Songs behandeln mitunter auch andere Dinge. Würdest du „Nattarvet“ insgesamt trotzdem als Konzeptalbum bezeichnen?
Ja und nein. Nicht alle Songs befassen sich mit der Hungersnot oder dem davon geplagten Leben, aber alle Lieder handeln auf unterschiedliche Weise von einer Art Isolation und Einsamkeit und den Härten des Lebens.
In diesem Sinne ist es also ein Konzeptalbum.

Ihr singt auf „Nattarvet“ deutlich mehr in eurer Muttersprache. Ist das auf die von euch besungenen Themen zurückzuführen oder hat sich das einfach durch Zufall so ergeben?
Einige Themen sind in Schwedisch einfach besser vermittelbar, wie etwa (lokale) Geschichte, Natur und solche Dinge.
Englisch ist besser für große und komplexe Themen. Aber das kommt auch ganz natürlich.
Wir entscheiden das nicht, bevor ein Song geschrieben wird, das ist einfach ein Teil des kreativen Prozesses. Man weiß nie, was zu erwarten ist und wie das Ergebnis aussehen wird.

Ihr habt diesmal sogar drei Gastsänger herangezogen. Warum verlangte das Album aus deiner Sicht nach mehr gesanglicher Vielfalt?
Da wir Vielfalt in der Musik mögen, dachten wir, dass diese drei Sänger in der Lage sein würden, die Atmosphäre zu liefern, die wir anstreben. Sie sind auch gute Freunde von uns und die musikalische Zusammenarbeit macht einfach Spaß.

Der erste Song der neuen Platte, zu dem ihr ein Musikvideo veröffentlicht habt, war der zwölf Minuten lange Abschlusstrack „The Isolationist“ – durchaus eine gewagte Wahl. Warum habt ihr euch dafür gerade diesen Song ausgesucht?
Weil es ein verdammt guter Song ist. Das ist der einzige Grund.

Das Artwork zu dem Album ist insofern ziemlich interessant, als es zu großen Teilen einen kräftigen Rotton hat, obwohl Black Metal sonst mit kalten Farben assoziiert wird. Warum habt ihr diesen anderen Ansatz gewählt?
Weißt du, selbst wenn es um die Grafik geht, denke ich, dass es sooo laaangweilig ist, wenn Bands einfach nur alle das Gleiche präsentieren.
Also haben wir diesmal versucht, über den Tellerrand zu schauen.

Wie wird es als Nächstes mit WORMWOOD weitergehen?
Wir machen einige Festivalauftritte, und wir buchen noch mehr für das nächste Jahr.
Daher wird der Schwerpunkt für eine Weile auf Live-Shows liegen. Einige Beta-Demos für das nächste Album sind bereits fertig, sodass wir gleichzeitig ein neues, noch besseres Folgealbum schreiben werden.

Als Nächstes möchte ich noch ein kurzes Brainstorming mit dir durchgehen. Was kommt dir bei den folgenden Begriffen in den Sinn?
Batushka: Die peinliche Reality-Show des Metal-Teils des Internets. (lacht)
Außerdem eine Band mit zu laaaangen Soundchecks, zumindest als wir für sie als Vorband spielten. (lacht)
Ich kenne sie nicht persönlich, also sage ich nichts weiter dazu.
Norwegischer Black Metal: Wichtige Musik für die Jugend.
Klimakrise: Wenn sie zu einer Apokalypse führt, ist sie gut. Obwohl ich eher eine Zombie-Apokalypse bevorzugen würde.
Aber als Freund von Natur und Tieren bin ich auch der Meinung, dass die Menschen anfangen sollten, verantwortungsbewusster und weniger ignorant zu handeln.
Soziale Medien: Eine unkomplizierte Möglichkeit, mit Freunden, Fans und anderen in Kontakt zu bleiben.
Post-Rock: Viel Reverb und Delay. Daumen hoch!
Schwedische Geschichte: Interessant und wichtig.

An dieser Stelle möchte ich mich nochmal bei dir für deine Antworten bedanken. Gibt es noch etwas, das du den Lesern mitteilen möchtest?
Ich hoffe, euch in Zukunft auf Tour zu sehen. Teilt WORMWOOD mit all euren Freunden!

Publiziert am von Stephan Rajchl

Dieses Interview wurde per E-Mail geführt.
Zur besseren Lesbarkeit wurden Smilies ersetzt.

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