Review Slipknot – We Are Not Your Kind

Als SLIPKNOT am 31.10.2018 mit „All Out Life“ den ersten neuen Song seit .5: The Gray Chapter (2014) ins Netz stellten, war die Aufregung groß: Schließlich klingen SLIPKNOT hier so roh, aggressiv und groovy wie seit „Iowa“ nicht mehr. Entsprechend groß war die Vorfreude auf das neue Album „We Are Not Your Kind“ – und die Verwirrung, als sich herausstellte, dass „All Out Life“ darauf nicht zu finden sein würde. Schade um den Song, vor allem aber kein gutes Vorzeichen für ein Album, von dem sich viele Fans wieder mehr Härte erhofft hatten. Dass ausgerechnet „All Out Life“ nicht ins Konzept passen soll? Ein herber Dämpfer.

Dabei hätte der Song eigentlich problemlos zu den harten Stücken des Albums gepasst: Zum Kracher „Nero Forte“ mit seinem fetten Riffing, zum vielseitigen „Critical Darling“ (der über weite Strecken auch von Korn sein könnte) und zum brachialen „Red Fang“, der in seiner stumpfen Brutalität auf dem Album fast deplatziert wirkt. Zu „Orphan“, der mit seinem eingängigen Refrain Härte und Melodik gelungen vereint, und schließlich zum groovigen „Solway Firth“. Viel mehr wirklich harte Nummern hat „We Are Not Your Kind“ nicht. Drama ist das aber keines.

Hat man sich erst von der Erwartung freigemacht, ein neues „Iowa“ geboten zu bekommen, lassen sich an „We Are Not Your Kind“ unzählige Stärken erkennen: Immer wieder zeigen SLIPKNOT, was sie über die Jahre in Sachen Songwriting gelernt haben; etwa, wenn sie „A Liar’s Funeral“ von einer düsteren Ballade zu einem wuchtigen, schleppenden Song-Ungeheuer entwickeln. Der durch ebendiesen Mix aus aggressiven Krachern und ruhigen Nummern („Spiders“), die erst nach mehrmaligem Hören hängen bleiben, herbeigeführte Abwechslungsreichtum verdient Respekt: Das haben andere Bands aus der 1990er-Nu-Metal-Welle später lange nicht so gut hinbekommen. Zu guter Letzt knallen die Songs, in denen SLIPKNOT nicht an sich halten, mehr als alles, was die Herren aus Iowa seit „Iowa“ produziert haben.

Nicht zuletzt, weil der Sound von „We Are Not Your Kind“ seinesgleichen sucht. Mehr denn je sind die Percussions als zusätzliches Element neben dem Schlagzeug herauszuhören, klingen die Gitarren „greifbar“, integrieren sich Sids Scratches stimmig ins Gesamtbild und sitzt der Gesang in genau der richtigen Lautstärke im Gesamtgefüge. Und doch hat ein zentraler Schwachpunkt des Albums ausgerechnet mit dem Sound zu tun: Dass gefühlt jeder Song mit einem Mitsingrefrain garniert ist, ist nichts Neues – und kein Grund zur Klage. SLIPKNOT 2019 sind eben nicht mehr SLIPKNOT 1999.

Schade ist jedoch, dass SLIPKNOT statt auf kraftvolle Refrains, wie dereinst in „Purity“, oder später in „Duality“, diesmal fast durchgehend auf stark verhallte, chorusartig abgemischte Refrains setzen, wie man sie aus Popsongs kennt. Eine Ausnahme ist da der Opener „Unsainted“, der zwar unter dem Zuckerguss der Background-Chöre fast zusammenbricht – zumindest aber durch seine Dynamik als Song funktioniert und im Ohr kleben bleibt. Dabei geht den Songs leider stellenweise etwas Energie verloren – Energie, die sie dringend brauchen. Mit im Mittel fünfeinhalb Minuten (rechnet man das Intro und die im Albumkontext auch ziemlich überflüssigen Interludes heraus) sind die Songs durchschnittlich eine Minute länger als die des Vorgängers. Nicht immer ein Gewinn: Wenn man ehrlich ist, hätte man den einen oder anderen etwas kürzer und damit prägnanter gestalten können.

Eine CD mit den harten Nummern von „We Are Not Your Kind“, ergänzt um „All Out Life“ und die Kracher der letzten beiden Werke hätte in diesem Soundgewand ohne Frage das Zeug zum Jahrhundertalbum. Damit, dass die Vertonung purer Aggression nicht mehr Ziel der neun (sieben? sechs?) Maskenmänner ist, sollte man sich jedoch seit „Vol. 3: The Subliminal Verses“ abgefunden haben. So  ist „We Are Not Your Kind“ zwar sicher nicht das Album, das sich mancher Fan der ersten Stunde erhofft hatte – dafür fraglos das vielseitigste und musikalisch spannendste, das SLIPKNOT seit „Vol. 3“ veröffentlicht haben.

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Wertung: 8.5 / 10

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