Auch am zweiten Tag des FEUERTANZ FESTIVALS 2019 präsentiert sich die Sonne von ihrer unerbittlichen Seite. Gefühlt ist es – besonders zur Mittagszeit – im schattenarmen Vorplatz der Bühne noch ein paar Grad wärmer als am Tag zuvor. Dies stellt sowohl Eric Fish als Moderator des Samstags als auch die ersten Bands vor große Herausforderungen: einerseits was die Temperaturen und andererseits was die Motivation und Power des Publikums betrifft. Doch dieses lässt sich zu vorgerückter wie später Stunde bereitwillig mitreißen.
Den Auftakt machen um Punkt 13 Uhr die Kölner HAGGEFUGG, die zum ersten Mal auf Burg Abenberg aufspielen und direkt vom Sternenklang Festival aus Thüringen anreisen. Im Süden Deutschlands sind die Rheinländer noch eher seltene Gäste, abgesehen unter anderem von einem Gastspiel mit Vogelfrey in München im März dieses Jahres. Ein Blick auf die Bühne verrät sofort, dass hinter dem Namen ein Konzept steckt. Das zeigt optisch die – gerade im Folk-Rock – beliebte Kombination aus den Farben Rot und Schwarz, sowie musikalisch der auf Party getrimmte Mittelalter-Rock, der an Impius Mundi und Co. erinnert. Der Stilmix von HAGGEFUGG ist nach zwei Alben seit 2015 auf einem absolut akzeptablen Stand angekommen: Sänger Gregor Krähenkehle macht als Sänger und Einpeitscher einen grundsoliden Job, nur ab und an entgleiten ihm die arg anspruchsvollen Gesangspassagen. Schalmeien, Dudelsäcke und E-Gitarren erklingen in Songs wie „Tandaradei“, „Katzenjammer“ oder „Tanz mit dem Teufel“ angenehm gleichberechtigt. Immer wieder propagieren HAGGEFUGG dazu ihr „Haggefoll“-Credo, das stimmig zu den Trink- und Partyhymnen gewählt ist. So kann der Tag trotz Hitze auch mit dem ersten Met beginnen!
Die BLACK MAGIC FOOLS aus dem Norden Europas entwickeln sich im Laufe der nächsten 60 Minuten zu einer der größten Überraschungen des Wochenendes: Mit ihrem nordisch inspirierten Folk Metal erobern die Schweden immer mehr Herzen. Diese erspielen sie sich mit einer Mischung aus Urgewalt und Melodik, zweiteres besonders durch Ellie von Helli an der Geige beigemischt. Mit „Soul Collector“ und „Not My Truth“ haben die FOOLS direkt zwei Stücke im Gepäck, die qualitativ noch einmal über dem auch ansonsten hervorragend dargebotenen Set stehen. Gitarre, Schlagzeug und Bass bilden eine homogene Einheit, glänzen in starken Solo-Parts und entfalten gepaart mit den Vocals von Pontius Vanpiper eine durchdringende bis markerschütternde Wirkung, die über die gesamte Spielzeit für beste Unterhaltung sorgt. Es dauert zwar ein paar Songs, bis sich die Menge mit den in Abenberg eher seltenen Klängen anfreundet und diese für sich entdeckt, doch umso überwältigender fällt die Reaktion am Ende des einstündigen Sets aus. Völlig zurecht zählen BLACK MAGIC FOOLS unter anderem Eluveitie, Garmarna und Schelmish zu ihren Einflüssen. Aus diesem Destillat holen die Musiker das Maximum heraus und qualifizieren sich für eine baldige Rückkehr.
Wieder deutlich mehr auf Party fixiert sind PYRATES! Das Erfolgsrezept des folkigen Vierers ist auch nach zwei Jahren Abstinenz beim Feuertanz immer noch denkbar einfach: So modeln die Inselpiraten beispielsweise die historische Textvorlage von „Old Dun Cow“ zu einem ihrer vielen Shantys um und präsentieren mit dem fröhlichen „Chicken On A Raft“ einen Ohrwurm, zu dem die Menge auch in brütender Hitze die Arme über dem Kopf von links nach rechts schwenkt. Die fröhliche Sause geht über insgesamt 75 Minuten und nur ganz selten treten (hitzebedingte) Ermüdungserscheinungen auf, gegen die die PYRATES! einfach munter weiter anspielen. Im Vergleich zu anderen Folkpiraten reichert die niederländisch-britische Fraktion ihr Liedgut oft und gerne mit irischen Melodien an. Das mag beim folkigen Party-Publikum den Weg des geringsten Widerstands darstellen, um für ordentlich Furore zu sorgen, doch mit zunehmender Länge wirkt das Klangspektrum trotz variantenreichem Bass- und Gitarrenspiel etwas eingeschränkt. Der Zuspruch des Publikums lässt allerdings keinen Zweifel daran aufkommen, dass Dave Gallows und seine Mannen den Geschmack der Mehrheit treffen.
Eben jenen Geschmack scheinen ERIC FISH & FRIENDS anschließend zu verfehlen: Zwar kündigt Alea der Bescheidene von Saltatio Mortis seinen Freund und dessen Zweitprojekt noch vollmundig an, doch die Sonne strahlt nun mitten auf die Bühne und zieht den Klang der Akustik-Gitarren – sowie gefühlt der gesamten Darbietung – in arge Mitleidenschaft. Eric selbst hadert mehrfach mit dem Gegenlicht, verweist auf sein Versprechen, nie mit einer Sonnenbrille auf der Nase Musik auf einer Bühne zu machen und zu Menschen zu sprechen. Selten dürfte es ihm schwerer gefallen sein als heute. Die Songauswahl überrascht: Neben Klassikern wie „Anders sein“ oder auch „Mahlstrom“ vertonen Eric und seine Mitmusiker viel von anderen Liedermachern. Die Ausführungen des Subway-to-Sally-Sängers beweisen, dass ihm dieses Material und seine dazugehörigen Interpretationen am Herzen liegen. So ganz vermag sich das aber nicht auf die dargebotene Musik und damit auch auf seine Zuhörer zu übertragen, darüber hinaus hat die Kapelle in der dreijährigen Pause auch ein bisschen Bühnenrost angesetzt. Erst spät folgt mit dem Godsmack-Cover „Voodoo“ etwas wirklich Außergewöhnliches und bereits Bekanntes, vieles andere wirkt ungewohnt austauschbar und ohne jene Seele, die dieses Projekt gerade im intimeren Rahmen zu etwas Besonderem macht. Vielleicht war das Feuertanz dieses Mal der falsche Ort und der Samstag die falsche Zeit.
Allerbestens läuft es für FEUERSCHWANZ als Semi-Headliner. Noch mehr als bei Versengold am Vortag platzt der Zuschauerraum aus allen Nähten, als der Prinz, sein Hauptmann und der Rest der Truppe die Bühne betreten. Besonders mit dem letzten Album „Methämmer“ ist den Franken noch einmal ein ordentlicher Sprung gelungen, das beweist einerseits der Andrang und andererseits auch die musikalisch ungewohnt harte Seite vieler Stücke. Knappe zehn „Methämmer“-Songs haben es auf die diesjährige Festival-Setliste geschafft, darunter die Vorabvideos „Schubsetanz“ und „Die Hörner hoch“ – und jeder zündet. Vorbei die Zeiten von Met und Miezen, Schnaps und Schnecken oder Bier und Bräuten. Zwar sitzt FEUERSCHWANZ immer noch der Schalk im Nacken und bei „Ketzerei“ oder „Prinzessin“ spielen die beiden Miezen weiterhin eine tragende Rolle, doch das Gesamtpaket aus Musik, Tanz und Thors Partyhammer überzeugte selten mehr als jetzt. Der neue Bassist Jarne Hodinsson, seines Zeichens (vermeintlicher) Sohn von Prinz Hodenherz, spielt 2019 sein erstes Feuertanz und wird bereitwillig von den Anhängern in Empfang genommen. Sein Pseudonym und seine Herkunft wirken wie eins der letzten Relikte aus der tiefen Vergangenheit der Spielmannstruppe. Denn auch ohne dummdödeligen Pipi-Kaka-Humor funktioniert der Folk-Rock mehr als amtlich. Zum bereits erwähnten „Schubsestanz“ wirbelt die Menge im wahrsten Sinne des Wortes ordentlich Staub auf. Die Krönung des Auftritts ist allerdings ein Heiratsantrag, der anno 2019 keine Sekunde mehr zum Fremdschämen verleitet wie etliche Jahre zuvor in München. Nach dem Ja-Wort dürfen die beiden zukünftigen Eheleute dann in Schlauchbooten ein kleines Wettrennen über die Köpfe der Menge bestreiten, während FEUERSCHWANZ musikalisch wieder ordentlich Dampf geben – am Ende kommen die beiden Boote fast gleichzeitig wieder an der Bühne an und die gelungene Einlage endet mit einem Unentschieden. Die klaren Sieger des gesamten Festivaltages sind indes FEUERSCHWANZ.
Nein, SALTATIO MORTIS zu den Verlierern des Feuertanz Festivals 2019 zu küren, wäre nicht gerecht. Nicht einmal das viel zu lange Intro von Eric Fish mit Publikumskanon zu „Saltatio Mortissimo“ (?!) bremst die Fans aus. Die anschließende Show, die Alea, Lasterbalg und Co. aus dem Ärmel zaubern, lässt teilweise sogar In Extremo vor Neid erblassen: Feuertöpfe werden entzündet, Fontänen schießen regelmäßig quer über die Bühne und die Menge. Was einst mit Sir Henry Hot auf dem MPS begann, hat in der aktuellen Festivalsaison seinen neuen Höhepunkt erreicht: Visuell präsentieren sich SaMo von ihrer stärksten Seite. Musikalisch lässt sich dieses Fazit höchstens im Hinblick auf die überwiegend starken Reaktionen ziehen: Die Karlsruher wirken weniger wie der „Dorn im Ohr“, den sie selbst ausrufen, sondern eher wie politisch interessierte Gefälligkeitsrocker mit leichtem Folk-Einschlag, die mit der unbekümmerten Frische, die erstmals vor knapp 15 Jahren auf Burg Abenberg zu erleben gewesen ist, nur noch wenig gemein haben. Da hilft auch kein (Alibi-)Akustik-Block mit „Heimdall“, „Totus Floreo“ und „Drunken Sailor“, zumal dieser wenig mit traditioneller Marktmusik zu tun hat. Vielleicht soll er das auch gar nicht. Die letzte Studioproduktion „Brot und Spiele“ bewegt sich zwischen Politisch-Motiviertem wie „Europa“ (in der Essenz zurecht extra angekündigt von Schlagzeuger Lasterbalk) und „Besorgter Bürger“, sowie Partyhymnen wie dem Titeltrack und plattem (Chart-)Rock im Stile von „Große Träume“ oder „Nie wieder Alkohol“. Immerhin findet auch „Brunhild“ den Weg in die Liederauswahl, neben „Heimdall“ eines von sehr wenigen Stücken, die noch an musikalisch inspiriertere Zeiten erinnern. Der „Spielmannsschwur“, „Prometheus“ und „Eulenspiegel“ zählen inzwischen zum festivalerprobten Fan-Service – die Menge will es, die Menge kriegt es. Gleiches gilt für Sänger Alea beim Crowdsurfen. Gerade im Vergleich zu Feuerschwanz kommen die Speluden völlig ohne Überraschung aus. In dieser Verfassung gehören SALTATIO MORTIS eher zu Rock im Park als auf ein mittelalterliches Burgfestival.
Der FEUERTANZ-Samstag zeigt sich insgesamt sehr facettenreich, mit den Black Magic Fools als großer Überraschung und unbedingter Empfehlung für alle Folk-Metal-Jünger. Unter nicht ganz so undankbaren Witterungsumständen hat man Eric Fish & Friends sicher schon stärker und vor allem intensiver gesehen, Feuerschwanz überzeugen indes mit einer unterhaltsamen Show gepaart mit musikalischer Härte und Saltatio Mortis beweisen, dass sie anno 2019 perfekt durchgeplant quasi nichts mehr mit eben jener Spielmannsfraktion zu tun haben, die vor vielen Jahren frisch und unverbraucht (oder eher wild und frei?) das Festival gerockt hat.
Bitte auch noch den wunderschönen und emotionalen Ausklang im Burgsaal mit MajorVoice nicht vergessen
Gänsehaut und Tränchenverdrück
1. Weils so schön war
2. Weils so emotional war und das Feuertanz schon wieder vorbei….
Liebe Susi,
den haben wir nicht vergessen, allerdings mussten wir dieses Jahr direkt nach Saltatio Mortis abreisen, so dass wir den Abschluss im Burgsaal leider verpasst haben. Wir freuen uns aber sehr, dass es dir ganz offenbar gefallen hat. Unsere Meinung zu MajorVoice findest du hier:
https://www.metal1.info/konzerte/subway-to-sally-w-majorvoice/
Viele Grüße
Sigi