Review Pelican – Nighttime Stories

Sechs Jahre sind seit dem letzten PELICAN-Longplayer „Forever Becoming“ ins Land gezogen: Das letzte Release der Band und gleichzeitig das erste Album, an dem Gitarrist Dallas Thomas beteiligt war, der Gründungsmitglied Laurent Lebec ersetzt hat. Nun steht mit „Nighttime Stories“ der Nachfolger in den Startlöchern und die Erwartungshaltung ist nach der langen Pause hoch. Ist der instrumentale Post-Metal des Quartetts aus Chicago noch zeitgemäß oder ist das Album ein emotionsloser Aufguss von Altbekanntem?

Das Intro „WST“ mutet mit seiner Akustikgitarre beinahe ein bisschen klassisch an und auch in Sachen Atmosphäre zeigt sich sofort, wohin die Reise geht. Das nachfolgende „Midnight And Mescaline“ ist eine massiv vorwärtsgehende Uptemponummer und bietet ein abwechslungsreiches Arrangement mit vielen richtig guten Riffs. Von letzteren gibt es auf „Nighttime Stories“ überdurchschnittlich viele zu hören – schön, dass sich hier nichts geändert hat und technische Finesse und spannendes Songwriting nach wie vor zu den Markenzeichen von PELICAN gehören.

So sind die acht Songs auf „Nighttime Stories“ ein heiteres Potpourri aus verschiedenen Metalstilen – und für jeden Geschmack ist etwas dabei: „Cold Hope“ geht stark in Richtung Sludge, „Abyssal Plain“ in der Strophe schon fast Richtung Indie oder Postpunk – wäre da nicht der ultraschnelle Blastbeat im zweiten Songteil. Erwähnung verdient noch der Titeltrack, ist bei „Nighttime Stories“ doch eine starke Godflesh-Schlagseite spürbar: Verantwortlich hierfür sind neben den Broadrick-esken, latent disharmonischen Melodien vor allem die Gitarren-Flageolets sowie der knurrende Bass. Ansonsten ist der klassische Post-Metal-Unterbau à la Isis oder Red Sparowes bei PELICAN ziemlich allgegenwärtig und hier und da darf der Zuhörer auch mal Parallelen zu Mastodon oder auch Baroness ziehen (wobei vor allem letztere etwas rockiger und weniger düster klingen).

Einen Sänger vermisst man auf Albumlänge nicht, hierfür sind auch die (für Post-Metal-Verhältnisse) beinahe kompakten Arrangements zwischen vier und acht Minuten verantwortlich. Bassist Bryan Herweg soll übrigens einmal in einem Interview gesagt haben, dass ein Sänger die Band nur beschränkt hätte: Ein kräftiger, schreiender Mann hätte dazu geführt, dass PELICAN als Metalband wahrgenommen worden wären, während sie mit einem schreienden dünnen Frontmann den Emo-Stempel aufs Auge gedrückt bekommen hätten.

Die Produktion von Sanford Parker ist gelungen und verdient die Prädikate „fett“ und „rough“, ohne dabei undifferenziert oder unausgewogen zu klingen. So schließt sich nach rund 45 Minuten mit dem ebenfalls akustischen Auströpfeln von „Full Moon, Black Water“ der Kreis und unterm Strich bleibt ein durch und durch positiver Eindruck: PELICAN sind auch nach sechs Jahren Abstinenz eine Macht im Bereich des instrumentalen Post-Metal und „Nighttime Stories“ ist definitiv so etwas wie ein kleines Meisterwerk ohne erwähnenswerte Schwächen geworden, welches jedem Freund der zuvor genannten Bands ans Herz gelegt werden kann. Bleibt zu hoffen, dass die Band sich erstmal nur warmgespielt hat: Die Chance, dass die nächste Platte ein Juwel in der Diskografie von PELICAN wird, ist ausgesprochen hoch.

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Wertung: 9 / 10

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