Review Deaf Kids – Metaprogramação

Das muss man sich als Band auch erstmal trauen: Sage und schreibe siebeneinhalb Minuten und drei… nennen wir die Noise-Klangwolken unterschiedlichster Herkunft mal „Songs“, bis sich bei Nummer vier, „Mente Bicameral“, so etwas wie eine nachvollziehbare, songähnliche Struktur abzeichnet. Mutig, was die DEAF KIDS auf ihrem Debüt auffahren. Wobei… was fahren sie eigenlich genau auf, was wird das, wenn es fertig ist?

Im Prinzip handelt es sich bei einem Großteil der Kompositionen auf der ersten Albumhälfte von „Metaprogramação“ um weitestgehend elektronisch, mit Hilfe von Synthesizern, aber auch unter Verwendung von „klassischen“ Effekten (endlose Hall- und Delayfahnen gehören zur Grundausstattung und sind im Preis inbegriffen), generierte Klangwolken… man könnte wohl auch „Noise“ sagen. Recht sperrig, nicht unbedingt unhörbar, aber doch anstrengend, da irgendwie strukturlos.

Der zweite als solcher erkennbare DEAF-KIDS-Track ist dann „Templo Do Caos“ (Nummer sechs übrigens) – und ab hier nimmt der Noise-Anteil merklich ab und das brasilianische Trio präsentiert etwas anderes: schroffen, dreckigen, industrialisierten Punkrock/Metal, durchaus vergleichbar mit Ministry mit Tribal-Drums statt Drumcomputer Mitte der neunziger Jahre. Repititives Gitarrenriffing, aber auch Schlagzeug- und regelmäßiger Percussioneinsatz erinnern dabei auch ein wenig an Sepultura zu „Roots“-Zeiten oder das Cavalera-Nebenprojekt Nailbomb – nur eben einen ganzen Ticken punkiger als genannte Bands. Ziemlich treibend, durchaus hypnotisch und eigentlich ganz cool, wenn auch nicht übermäßig spannend oder wirklich innovativ.

Besonders gefällt, dass die Band aus Volta Redonda (ungefähr 130 Kilometer nordwestlich von Rio De Janeiro) auf „Metaprogramação“ auch traditionell südamerikanische Elemente (beispielsweise die Percussion im Interlude „Espirais Da Loucura“) verbraten, diese aber durch massiven Effekteinsatz aus dem gewohnten Kontext reißen. Der gesamte Aufbau macht das Debüt der DEAF KIDS schon zu so einer Art Konzeptalbum – auch wenn das Konzept nicht unbedingt nachvollziehbar ist. Dementsprechend schwer fällt es, einzelne Songs hervorzuheben – wobei die kompakteren Nummern wie eben „Mente Bicameral“ oder „Templo Do Caos“ im Vergleich mit experimentelleren und ausladenderen Songs wie „Raiz Negativa“ oder „Espirais Da Loucura“ schon herausstechen und eher im Ohr hängenbleiben.

Inhaltlich gibt man sich – wenig überraschend – sozial- und gesellschaftskritisch. Neurosis-Legende Steve Von Till, seines Zeichens auch Chef von Neurot Recordings (hier stehen die Brasilianer unter Vertrag), sieht im Schaffen der DEAF KIDS authentisch kanalisierte Wut über die Missstände in ihrem Heimatland. Insofern durchaus interessant, wenn auch (musikalisch) nicht ganz ausgereift, was die Industrial-Punks auf „Metaprogramação“ so veranstalten: Ziemlich rough, auf jeden Fall authentisch wütend, auf Albumlänge kaum vorhersehbar und somit schon auch irgendwie nicht unspannend, aber einfach zu verfahren. Die ausschweifenden Noise-Eskapaden wirken unstrukturiert, anstrengend und willkürlich: Ein (musikalisch) nachvollziehbareres Konzept und ein bisschen mehr Abwechslung im Songwriting und in den Arrangements wären in Zukunft sicher hilfreich – zumindest, falls die DEAF KIDS langfristig beabsichtigen, ihre Zuhörerschaft zu erweitern.

Wertung: 5 / 10

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