Eine hellgraue Fläche, darin neun kreisrunde Öffnungen, die gerade groß genug sind, um ein dahinter befindliches, schemenhaftes, pastellfarbenes Panorama erkennen zu lassen – es braucht wohl keine große Kombinationsgabe, um zu erkennen, dass ASTRONOID mit ihrem selbstbetitelten, zweiten Album eine Sorte Hörer ansprechen, die von manchen abfällig als „Hipster“ bezeichnet werden. Also jene Menschen, die wahllos zusammengewürfelte Vintage-Klamotten tragen, sich geistreicher geben, als sie wirklich sind, und ihre mit dem iPhone geschossenen Fotos gerne mit einem Dutzend Filtern überziehen – alles der authentischen Ästhetik wegen, versteht sich. Diese vielleicht etwas zynische und klischeehafte Beschreibung erfasst in adaptierter Form auch den Kern der Musik von ASTRONOID.
Stilistisch bewegen sich die Songs auf „Astronoid“ überwiegend im Post-Metal-Bereich, mit gelegentlichen Ausschweifungen in Richtung Progressive Metal und Djent. Die Einordnung unter „Metal“ ist in diesem Fall jedoch mit Vorsicht zu genießen. Obgleich ASTRONOID nicht mit verzerrten Gitarrenriffs und schwungvollen Double-Bass-Drums geizen, fehlt es den durch und durch glattgebügelten Tracks an der für die Stilrichtung charakteristischen Durchschlagskraft. Doch Genres sind bekanntermaßen überaus dehnbare Begriffe und ob es sich nun um Rock oder Metal handelt, sagt grundsätzlich natürlich nichts über die Qualität der Musik aus.
Bedauerlicherweise ist der Etikettenschwindel, den man dem amerikanischen Quartett nicht ganz zu Unrecht vorwerfen könnte, nicht das einzige Problem, mit dem die Nachfolgeplatte des durchaus positiv aufgenommenen Debüts zu kämpfen hat. Freilich spricht nichts dagegen, mittels träumerischer Clean-Gitarren, hoffnungsvoller Melodien und sanftem, hellem Gesang Gefühlen wie Euphorie Ausdruck zu verleihen. ASTRONOID scheitern hier somit nicht an ihrer Grundidee selbst, wohl aber an deren Umsetzung. Zu Beginn gelingt es den Post-Metallern zwar noch recht gut, mit ihren überschwänglichen Leads unbeschwerte Heiterkeit zu verbreiten („A New Color“), doch allzu bald geht den Amerikanern sprichwörtlich die Puste aus.
Trotz kleinerer Experimente wie der elektronischen Perkussion in der Abschlussnummer „Beyond The Scope“ nutzt sich das Schema des Albums viel zu schnell ab. Nur eine Handvoll schöner Melodien bleibt auf Dauer hängen, die wegen der aalglatten, modernen Produktion ohnehin nicht sonderlich druckvollen Djent-Anteile harmonieren nicht wirklich mit der sonstigen Musik und die quietschenden, furchtbar penetrant abgemischten Clean-Vocals entwickeln sich innerhalb kürzester Zeit zum größten Störenfried auf dem gesamten Album. Künstlicher hätten ASTRONOID den Gesang eigentlich nur noch mithilfe von Autotune in Szene setzen können.
Um noch einmal den Vergleich mit dem Stereotyp der Hipsterkultur anzustrengen: „Astronoid“ klingt so zuckersüß wie ein überladener Red-Velvet-Cupcake, von dem man bereits nach dem ersten Bissen übersättigt ist. Das Ganze sieht hübsch und verlockend aus, lässt allerdings jeden nennenswerten Gehalt vermissen. Die wirklich außergewöhnlichen Einfälle, die ASTRONOID auf ihrer zweiten Full-Length-Veröffentlichung in die Tat umgesetzt haben, lassen sich mühelos an den Fingern einer Hand abzählen. Instrumental belanglos und gesanglich nervtötend ziehen die durch den Pastellfilter gezogenen Songs harmlos wie Seifenblasen am Hörer vorbei und verpuffen, ohne Aufsehen zu erregen. Sollte ASTRONOID daran gelegen sein, ihre Hörer beim nächsten Mal in Begeisterung zu versetzen, kann man nur hoffen, dass sie es bis dahin hingekriegt haben werden, ihren Stil etwas aufzupeppen.
Wertung: 4 / 10
„Air“ war so geil, und nun dieses langweilig vor sich hinpimmelnde Album…