Mit ihrem starken Albumdebüt “Worlds Open, Worlds Collide” und einer Europatour mit Taake hätten ONE TAIL, ONE HEAD eigentlich nach zwölf Jahren Bandgeschichte endlich durchstarten können. Warum sich die Norweger stattdessen entschieden haben, die Band aufzulösen, mit welchen Gefühlen sie deswegen an die Shows herangegangen sind und wie es für ihn musikalisch nach ONE TAIL, ONE HEAD weitergehen wird, erklärt Gitarrist Jan Even Åsli im Interview.
ONE TAIL, ONE HEAD wurde vor 12 Jahren gegründet. Was war damals die Idee hinter dem Namen?
Es ist eine Zeile aus dem Text des ersten Liedes, das wir geschrieben haben. Der Name zeigt einfach zyklische Muster von Tod und Wiedergeburt, bildlich und wörtlich, auf, die von da an zum übergreifenden Thema wurden, das in den Texten zu unseren Songs immer irgendwie präsent ist. Als Bandnamen haben wir die Zeile gewählt, weil es seltsam klang und für eine Band wie die unsere sogar seltsam aussah.
Euer Debüt heißt “Worlds Open, Worlds Collide”. Wofür steht der Titel?
Nun, die Themen sind lose und suggestiv, also stehen sie offen für die Interpretation durch den Zuhörer und werden wahrscheinlich für jeden etwas anderes bedeuten. Für mich geht es vor allem um Zweifel, gebrochene Illusionen, zerbrochene Wahrheiten. Es bewegt sich auf einer Grenze zwischen Gewissheit und Unsicherheit, Kontrolle und Chaos, Realität und Wahnsinn. Hoffnung und Verzweiflung sind Welten, die für mich immer und immer wieder aufeinanderprallen. Diese Begriffe verspotten sich auch in gewisser Weise selbst. Sie wirken manchmal grandios und größenwahnsinnig, aber es lauern immer Zweifel und Angst vor der Vergeblichkeit dahinter, deswegen gibt es diese ständige Spannung. Eine unheimliche Pointe von schwarzem Humor, wenn du so willst.
Was war das Konzept hinter dem Artwork, wie würdest du das Bild interpretieren?
Es spiegelt den Geschmack von mir und unserem Bassisten Tylden wider, der es in einer langen Zeit der Diskussion und des Gedankenaustauschs erschaffen hat – wobei er natürlich mit seinen grafischen Fähigkeiten die eigentliche praktische Arbeit gemacht hat. Wir wollten etwas mit einem eigenen Gefühl, etwas, das nicht wie jedes andere Album-Layout in unserem kleinen Teil des Metal-Undergrounds aussieht. Die dunkelrote Färbung deutet sehr stark auf die Atmosphäre unserer Liveauftritte hin, und das einfache, aber (unserer bescheidenen Meinung nach) äußerst stilvolle und sehr effektive Kunstwerk unseres lieben Freundes Izzy vermittelt den Inhalt des Albums perfekt. Wir sind mit dem Ergebnis sehr, sehr zufrieden. Es sieht in allen Formaten großartig aus.
Mit „Sordid Sanctitude“ gibt es ein ziemlich langes Instrumental auf dem Album. Hätte hier Gesang nicht eventuell für mehr Dynamik gesorgt?
Ich finde eher, dass es dringend benötigten Raum zum Atmen und sich Sammeln bietet. Der Gesang ist auf dieser Platte extrem präsent, und obwohl er (wiederum meine bescheidene Meinung) hervorragend gemacht ist, passt es nicht zu meiner Vorstellung von der dynamischen Balance, die ein Album haben sollte, dass dich ein Sänger 50 Minuten lang ununterbrochen anschreit. „Sordid Sanctitude” vertieft auch die Stimmung und erweitert den Horizont der Platte mit experimentellen Gitarren- und Bassmustern und einer insgesamt eher seltsamen Atmosphäre. Aber hey, ich bin da ziemlich voreingenommen.
Ihr seid seit einigen Wochen mit Taake auf Tour – welche Erinnerungen und Erfahrungen hast du von der Tour mitgebracht?
Es war alles in allem ein tolles Erlebnis, sehr lohnend als Mittel, um unser letztes Ziel zu erreichen und sehr emotional in dem Sinne, dass wir das Ende der Band direkt auf unserer Haut gespürt haben. Wir haben auf dieser Tour tatsächlich einige unserer besten Liveshows aller Zeiten gespielt. Das fühlt sich sehr gut an. Viel unterstützende Energie von den Fans in ganz Europa, viel mehr, als wir erwartet hatten. Wir hatten auch das Privileg, starke Freundschaftsbande mit Mitgliedern aller Bands knüpfen zu dürfen, was nach meinem Verständnis mehr ist, als man erwarten kann, sodass unsere ewige Dankbarkeit den Musikern von Taake, Bölzer, Orkan und Slegest dafür gilt, dass sie alle herausragende Individuen sind.Du hast es eben angedeutet: Die Tour war eure erste große Tour, aber eben auch eure letzte. Mit welchen Gefühlen habt ihr die letzten Shows gespielt?
Wie bereits erwähnt, war da natürlich immer ein Hauch von Kummer. Aber davon abgesehen haben wir jeden Abend unsere Arbeit gemacht, ohne Kompromisse alles gegeben, ohne etwas zu verschonen. Das war für uns immer schon so, und daran hat auch nichts geändert, dass es unsere letzten Shows waren.
Was hat euch überhaupt dazu bewogen, die Band jetzt zu begraben, wo ihr mit dem Album und der Tour international erfolgreich werdet?
Wir ziehen innerhalb der Band in verschiedene Richtungen, in kreativer Hinsicht, aber auch was die Herangehensweise und Perspektive angeht. Wir wollen uns auf unterschiedliche Weise ausdrücken. So einfach ist das. Wenn unsere Herzen nicht für das gleiche Ziel schlagen, ist es besser, dieses Album zu unserer finalen Aussage zu machen und weiterzuziehen.
Aber ist es nicht auch unbefriedigend, so lange auf etwas hingearbeitet zu haben, und jetzt, da der Erfolg kommt, diesen nur so kurz genießen zu können?
Es gibt viele Arten, Erfolg zu definieren und zu messen. Eine ist, Shows zu spielen, beliebt zu sein und so weiter. Eine andere ist, etwas zum Ausdruck zu bringen, das wirklich dir entspricht und noch eine andere ist, deinem Werk wirklich in allen Aspekten verbunden zu sein. Das sind allesamt legitime Wege. Aber uns ist vor allem letzteres wichtig, weißt du? Und ONE TAIL, ONE HEAD war immer selbst ein Ziel – kein Werkzeug, um ein anderes Ziel zu erreichen. Das Leben ist kurz und es ist, was es ist.
Das Publikum hat euch wirklich gefeiert. Bereust du die Entscheidung bereits, oder ist immer noch sicher, dass diese Tour das Letzte war, was wir von ONE TAIL, ONE HEAD gehört haben werden?
Keine Reue. Im Moment ist dies hier das Ende. Ich sehe, worauf du hinauswillst. Viele Leute haben uns auch einfach nicht geglaubt, als wir verkündet haben, dass wir aufhören. Und ich verstehe das in gewisser Weise. Aus Erfahrung halte ich es für eine ziemlich dumme Sache, „nie“ zu sagen. Allerdings herrscht gerade ein ziemlich deutliches Gefühl von Endgültigkeit vor. Eine Sache sind die bereits genannten Gründe, eine andere sind die Veränderungen im Privatleben, die wir alle durchlaufen. Die hyperphysische und lächerlich extrovertierte Natur von ONE TAIL, ONE HEAD war sehr fordernd, und ich denke, es war ziemlich offensichtlich, dass das nicht ewig anhalten würde. Als Menschen kämpfen wir alle darum, die Dinge loszulassen, aber manchmal ist es wirklich das beste.
Wenn ONE TAIL, ONE HEAD jetzt tot ist – wo siehst du deine Zukunft als Musiker? Wirst du dich wieder mehr auf VEMOD konzentrieren oder vielleicht etwas ganz Neues anfangen?
VEMOD ist das Herzstück meines Wesens und damit auch das Herzstück meiner musikalischen Zukunft. Ich habe mehr als die Hälfte meines Lebens daran gearbeitet, also werden alle, die es interessiert, noch viel mehr von diesem kleinen Universum, das wir da geschaffen haben, hören – es sei denn, ich werde schwer krank oder sowas. Natürlich gibt das Ende von ONE TAIL, ONE HEAD viel Zeit frei, und wer weiß, was auf noch uns zukommt. Es gibt sicher auch Ideen, die nicht unbedingt zu VEMOD passen, so dass es durchaus möglich ist, das daraus neue Projekte erwachsen. Ich bin mir jedenfalls ziemlich sicher, dass du von allen Mitgliedern von ONE TAIL, ONE HEAD in verschiedenen neuen Konstellationen hören wirst, da keiner von uns mit Musik abgeschlossen hat.
Vielen Dank für das Gespräch! Bitte lass uns am Ende dieses Interviews ein kurzes Brainstorming durchführen.
Es tut mir leid, aber ich mag die Idee eines „kurzen Brainstormings“ über komplexe menschliche Phänomene, die man ein Leben lang studieren könnte, ohne sie auch nur annähernd richtig erklären zu können, nicht besonders. Ich hoffe, du entschuldigst, dass ich in einer Zeit, die so verzweifelt nach tiefen Gedanken ringt, keine weitere Oberflächlichkeiten verbreiten möchte.
O.K.! Dann nochmals vielen Dank für deine Zeit. Die letzten Worte gehören dir:
Hört gute Musik, passt gut aufeinander auf und bleibt gesund. Danke für eure Zeit.
Dieses Interview wurde per E-Mail geführt.
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