In der avantgardistischen Underground-Metal-Szene konnte sich der amerikanische Schlagzeuger Otrebor mit außergewöhnlichen Projekten wie Lotus Thief und vor allem Botanist über die Jahre einen überaus guten Ruf erspielen. Dass der vielbeschäftigte Experimentalmusiker auch in der Black-Metal-Band OPHIDIAN FOREST involviert ist, dürfte jedoch vielen seiner Bewunderer entgangen sein – möglicherweise, weil die treibende Kraft hier nicht von ihm, sondern von seinem niederländischen Kompagnon Amalgamoth ausgeht. Für ihr viertes Album „votIVe“ hat sich ebenjener etwas Besonderes einfallen lassen: Jeder der sieben Tracks steht für jeweils eine vorchristliche Gottheit, wobei jede einer anderen Mythologie entstammt.
Noch eigenartiger als das textliche Konzept ist jedoch die Musik selbst, die OPHIDIAN FOREST auf „votIVe“ von sich geben. Von dem kratzbürstigen, vergleichsweise herkömmlichen Black Metal der Vorgängerplatten hat sich das Trio inzwischen verabschiedet und stattdessen einer wesentlich ungewöhnlicheren, von Keyboards geprägten Variation des Genres den Vorzug gegeben. Dabei gehen OPHIDIAN FOREST sogar fast noch einen Schritt weiter als so manche Symphonic-Metal-Band. Weder die gekrächzten Screams noch die seltsam surrenden Gitarren oder gar das verspielte, drängende Schlagzeug stehen hier im Vordergrund, sondern ganz klar die Tastentöne.
In puncto Abwechslung schöpfen OPHIDIAN FOREST diesbezüglich aus den Vollen. So klingen die Keyboards mal altmodisch-elektronisch („Nerthus“), dann wiederum mystisch-atmosphärisch („Nehalennia“), manchmal werden kauzige Streicher simuliert („Vagdavercustis“) oder man bekommt stimmungsvolles Klavierspiel zu hören („Hella“). Außergewöhnlichen Einfallsreichtum beweisen OPHIDIAN FOREST aber auch in Bezug auf die übrige Instrumentalisierung – „votIVe“ hat weitaus mehr zu bieten als abgenutztes Akkordgeschrammel und Dauergeblaste.
Hinsichtlich der technischen Umsetzung hätten die Underground-Black-Metaller hingegen besser daran getan, ihre Experimentierfreude ein wenig zu zügeln. Nicht, dass „votIVe“ übertrieben lo-fi klänge – das Album schmerzt bei weitem nicht so sehr in den Ohren wie etwa alte Darkthrone oder Ulvers „Nattens Madrigal“. Vielmehr irritieren OPHIDIAN FOREST im konkreten Fall mit einem merkwürdig dünnen und wirren Sound, der die Screams schwächlich und die Drums wie ein billiges Spielzeuginstrument dastehen lässt. Die Abschnitte, in denen die stark verzerrten Gitarren aussetzen, erscheinen dadurch außerdem seltsam leer und unfertig.
Selbstverständlich hätte die aufpolierte Produktion einer Dimmu-Borgir-Platte den eigentümlichen Charakter von „votIVe“ nur konterkariert und somit auch nicht dazu gepasst. Dennoch wäre ein kräftigerer Klang nicht zwangsläufig zulasten der Atmosphäre gegangen, sodass das Album aus technischer Sicht wohl oder übel hinter seinen Möglichkeiten zurückbleibt. Im Gegensatz zu vielen anderen Bands aus dem extremen Metal-Untergrund schreiben OPHIDIAN FOREST jedoch einzigartige, wahrhaftig stimmungsvolle Songs, weshalb es umso bedauerlicher ist, dass ihre vierte Full-Length-Veröffentlichung derart bizarr umgesetzt wurde. Wer die abstrakte Idee aus Prinzip über deren Realisierung stellt, wird hier zumindest besser unterhalten als von der Flut von Bands, die einfach nur wie Burzum klingen wollen.
Wertung: 5 / 10