Interview mit Emma Ruth Rundle

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Mit den Füßen im Folk verwurzelt, mit dem Kopf in den luftigen Sphären des Post-Rock hat die amerikanische Solomusikerin EMMA RUTH RUNDLE abermals ein großartiges, gefühlvolles Album vorgelegt: „On Dark Horses“. Warum das Album eine andere Grundstimmung als der Vorgänger „Marked For Death“ hat, inwiefern sich die Gitarristin und Sängerin weiterentwickelt hat und warum sie diesmal ihre Band ins Songwriting einbezogen hat, erfahrt ihr im folgenden Interview.

Deine Musik wird vor allem mit Folk und Post-Rock assoziiert. Würdest du sagen, dass du persönlich aber auch einen Bezug zu Metal-Musik hast?
Ich denke, die ursprüngliche Verbindung zur Metal-Szene kommt von meiner Band Red Sparowes. Ich wurde in meiner Solokarriere warm willkommen geheißen und bin dafür sehr dankbar, ich fühle mich damit sehr wohl. Ich würde meine eigene Musik nicht als Metal einordnen, aber ich höre viele Metal-Bands und toure auch mit einigen.

Im Post-Rock spielt die Produktion oft eine große Rolle, im Folk hingegen legt man hingegen mehr Wert auf die Ursprünglichkeit der Musik selbst. Wie sieht es diesbezüglich bei dir aus?
Ich strebe danach, beides auszubalancieren. Für mich soll die Produktion zum Sound eines Albums beitragen, aber ich hoffe, ich kann die rohe Aufrichtigkeit von Folkmusik beibehalten.

Was, denkst du, schätzen deine Fans am meisten an deiner Musik?
Den persönlichen, emotionalen und manchmal unangenehmen, aber hoffnungsvollen Inhalt.

Auf deinem neuen Album „On Dark Horses“ hast du, wie vorab angekündigt wurde, die Gitarren erstmals auch von anderen Leuten einspielen lassen. Was ist der Grund dafür?
Ich wollte mich auf die Chemie, die ich zu meiner Live-Band hergestellt habe, einlassen und sie einfangen.

Hat sich dadurch auch etwas an deinem Songwritingprozess geändert?
Es hat meinen Ablauf mitten in den Arbeiten zu dem Album verändert, in dem Moment, als ich ernstlich beschloss, die akustische Solo-Nummer gegen eine volle Band einzutauschen. Ich schrieb die Parts dann mit dem Wissen, dass eine zweite Gitarre, Bass und Drums dabei sein würden, um instrumentale Abschnitte zu füllen, die sonst ungewöhnlich leer gewirkt hätten.

Inzwischen hast du gewissermaßen eine ganze Band hinter dir. Siehst du dich dennoch weiterhin als Solokünstlerin?
Ja.

Auf „On Dark Horses“ behandelst du persönliche Zwänge und das Durchstehen von schwierigen Situationen. Warum hast du gerade diesen Begriff als Sinnbild dafür gewählt?
Der Begriff „Dark Horse“ lässt sich in etwa als „stilles Wasser“ übersetzen und wird definiert als „unbekannte Person oder Sache, die sich hervortut, insbesondere in einer Art Wettstreit, oder ein Wettbewerber, dessen Sieg unwahrscheinlich zu sein scheint“.
Ich dachte, es sei ein passender Titel zu einem Album, das ich um den gleichnamigen Song herumgebildet habe, in dem es darum geht, eine von Anstrengungen gezeichnete Vorgeschichte zu überwinden, als Folge von „Marked For Death“.

Man merkt dir zwar noch an, dass deine Wurzeln im Folk liegen, aber auf deinem neuen Album kommen zum Beispiel keine Akustikgitarren zum Einsatz, oder?
Auf „You Don’t Have To Cry“ gibt es eine Soundspur mit klassischer Gitarre.

Hast du ansonsten bewusst darauf verzichtet oder hat es sich ganz natürlich so ergeben?
Beides.

Inwiefern würdest du sagen, dass du dich als Musikerin weiterentwickelt hast?
Hauptsächlich in meinem Selbstbewusstsein, mir meinen Platz als Musikerin zu nehmen. Ich habe mich als Musikerin nie sehr wertvoll oder fähig gefühlt, aber diese letzten beiden Jahre auf Tour haben mein Selbst galvanisiert und ich fühle mich jetzt stärker.

Auf „Light Song“ hört man neben dir auch Evan Patterson als Gastsänger. Was war der Gedanke hinter der Zusammenarbeit?
Nachdem ich auf dem letzten Album von Jaye Jayle, „No Trail And Other Unholy Paths“, gespielt habe, genauer gesagt auf dem Song „Marry Us“, machte es Sinn, das Liebeslied des Albums zusammen mit ihm, der mittlerweile mein Ehemann ist, zu singen.

Zu dem Song habt ihr auch ein Video gedreht. Warum gerade zu diesem Track? Und was habt ihr euch bei der Gestaltung des Videos gedacht?
Es war der Song, der Danielle Bartley am meisten gefesselt hat, und ich finde es schön, was daraus geworden ist. Ich denke, es zelebriert eine süße, junge und zugleich zeitlose Liebesgeschichte.

Die Songs auf „On Dark Horses“ haben zwar einen gemeinsamen Grundton, aber hinsichtlich der Stimmung unterscheiden sie sich doch voneinander. Welcher ist deiner Ansicht nach der emotionalste Song deiner neuen Platte?
Entweder „Control“ oder „Darkhorse“.

Ich habe den Eindruck, dass „On Dark Horses“ wärmer und organischer klingt als „Marked For Death“. Würdest du mir da zustimmen? Und was könnte der Grund dafür sein?
„Marked For Death“ wurde in einer desolaten Umgebung geschrieben und aufgenommen. „On Dark Horses“ wurde hingegen in Louisville mit einer vollen Band und mit dem Input von Kevin Ratterman aufgenommen. Es war einfach eine andere Grundstimmung.

Das Artwork sieht sehr DIY-Indie-mäßig aus. Was war die Idee dahinter?
Nun, ich schätze, man könnte es insofern wirklich DIY nennen, als es in meinem Haus kreiert wurde. Ich habe aber auch für „Marked For Death“ die Fotos und das Layout gemacht. Ich denke, der Unterschied ist vielleicht, dass „On Dark Horses“ ein Polaroid zeigt, sodass es eher lo-fi aussieht.

Du bist generell oft sehr lang auf Tour. Wie hältst du es durch, so oft und lang auf Reisen zu sein?
Es ist ziemlich schwierig.

Du gehst demnächst auch auf Tour durch Europa. Was erwartest du dir von der Tournee?
Viel harte Arbeit, die von den Menschen belohnt wird, die uns in unseren Bemühungen unterstützen.

Würdest du sagen, dass die europäischen Zuschauer sich von den amerikanischen in ihrer Art unterscheiden?
Ich fühle mich auf den europäischen Bühnen eher willkommen und würde dafür gerne meinen Dank aussprechen.

Kommen wir zum Abschluss noch zu unserem traditionellen Metal1.info-Brainstorming, bei dem ich dir einige Begriffe gebe und du sagst mir, was dir dazu einfällt:
Therapeutisches Reiten: Ein Van, in dem ich mich hinlegen kann.
Streaming: Ein Fluss in Oregon.
Leistungsgesellschaft: Wikipedia
Singer-Songwriter: Ein Begriff, von dem ich mir wünschen würde, dass er verschwindet.
Derzeitiges Lieblingsalbum: Cloakroom – „Time Well“
EMMA RUTH RUNDLE in zehn Jahren: Da werde ich wohl malen, mit einem glücklichen Hund zu meinen Füßen.

An dieser Stelle nochmal vielen Dank für das Interview. Möchtest du noch ein paar letzte Worte an die Leser richten?
Danke für die wohlüberlegten Fragen und danke an alle, die die Künste unterstützen.
Alles Gute, ERR

Publiziert am von Stephan Rajchl

Dieses Interview wurde per E-Mail geführt.
Zur besseren Lesbarkeit wurden Smilies ersetzt.

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