Interview mit Chris und David von Fjørt

Einmal mehr haben wir die Jungs von FJØRT zum Gespräch getroffen. Vor der Show im Münchner Strom im Rahmen ihrer – zu großen Teilen ausverkauften – Tour konnten wir mit Gitarrist David und Bassist Chris über ihr Album „Couleur“ sprechen. Dabei spielten unter anderem der aufwendige Videodreh zu den Hotelsessions sowie der Umgang mit dem zunehmenden Rechtsruck in Deutschland eine große Rolle.

Das aktuelle FJØRT-Album „Couleur“ klingt für mich stärker wie ein neues Kapitel als noch „Kontakt„, das für mich mehr eine Fortsetzung war. Seid ihr dieses Mal anders an den Produktionsprozess rangegangen?
David: Eigentlich gar nicht. Wie das Album klingt und wirkt, das entwickelt sich alles im Prozess des Schreibens. Bei uns beginnt ja eigentlich alles immer mit Songs ohne Texten. Das heißt, dass du da Texte drauf baust, weil der Song von der Wirkung schon etwas anspricht, worüber wir die Texte schreiben. Daraus entwickelt sich dann nach und nach ein Gefühl dafür, was die Platte eigentlich für einen Charakter und für einen Vibe hat. Im Falle von „Couleur“ fühlte es sich an, als würde die Platte einen roughen, kantigen Sound brauchen, mehr als die Kontakt, die im Vergleich eher gezähmter, sortierter und aufgeräumter klingt. Dieses Mal musste da eine brachiale Wand dahinter, was wahrscheinlich den Unterschied ausmacht. Aber das sind alles Dinge, die weißt du vorher nicht. Das sind Feeling-Dinge, die sich dann rauskristallisieren, wenn du einen Packen Songs hast, die eine Geschichte erzählen, die in diesem Fall sehr vehement sind.

Schön, dass du die Geschichte erwähnst: Das Album beginnt ja mit „Südwärts“, das als Textzeile „Rückwärts war nie vorgehsehen“ hat. Im letzten Song singst du dann „Es geht nur noch südwärts“ – wolltet ihr so einen Abschluss, eine Schleife, oder sollte sich ein Kreis schließen?
David: Ne, das war auch nicht geplant. Irgendwann sitzt du davor, hast so ne Idee für den Song, dass beim letzten Song kommt „Es geht nur noch südwärts“, danach fällt dir aber erst auf, dass das ja den ersten Song widerspiegelt. Das sind Dinge, die sich beim Feinjustieren ergeben. Aber so kleine Referenzen sind immer eine ganz schöne Sache, um eine Verbindung herzustellen. Dieses Spaß am Austoben mit den Lyrics. Diese Kleinigkeiten, bei denen man merkt, dass das richtig gut einrastet und super passt.

Wenn das nicht geplant war, dann aber sicher das „Hotel Sessions“-Video. [Das Video ist am Ende des Interviews eingebettet]. Habt ihr es wirklich in einem Schnitt gedreht?
Chris: Ja das war ein One-Shot. Die Ausnahme war, dass wir, bevor das Audio begonnen hat, einen Schnitt hatten, als wir aus dem Auto kommen und reingehen. Das war der Tatsache geschuldet, dass wir ein geringes Budget hatten. Wir wollen ja immer das, was wirtschaftlich eigentlich nicht möglich ist, möglichst wenig Kosten und möglichst viel Wirkung. Wir waren halt total genau getaktet, weil wir drei Tage im Hotel Waldlust drehen konnten. Wir wussten, dass wir an diesem ersten Tag bis 13 Uhr Zeit hatten, die Live-Session abzudrehen. Hätte das nicht geklappt, hätten die Schauspieler für das Karat-Video vor der Tür gestanden und dann wäre alles in sich zusammengefallen. Uns war also klar, dass wir das irgendwie packen müssen. Diese Szene in der wir ankommen, haben wir erst im Nachgang gedreht. Aber ab dem Punkt, an dem wir die Jacken angeben, ist es als One-Shot gelaufen. Das wäre auch anders nicht gegangen.

Es war schon eine irre Erfahrung, und für uns auch eine irre Belastung. Es war der dritte Take, der geknallt hat. Der erste war ein Probelauf, den haben wir gar nicht gefilmt, der zweite ist schiefgegangen, einen halben mussten wir sogar abbrechen. Wenn der eine dann nicht geklappt hätte, hätte man angefangen, nervös zu werden, dann ist man nicht mehr so frei im Kopf, das ist halt bei Mukke so. Dann wäre der Schuss nach hinten losgegangen und wir wären in Zeitprobleme gekommen. Unsere Crew hat uns auch wahnsinnig unterstützt, die hat ja während des Drehs ein Set umgebaut. Als wir fertig waren, dieser Jubel der da ausgebrochen ist unter allen Beteiligten, wir drei, Iconographic, Helfer, drei Mann unsere Crew … Das war wirklich krass, als das durch war, Schnitt, alle ausgerastet. Wir wussten dann, das Schwierigste an der ganzen Planung war damit geschafft.

Was war denn der Gedanke dahinter, dass ihr euch als Band in die Geschichte der Videos „einschreibt“?
David: Das ging dieses Mal vom Coverbild aus. Wir hatten dieses Bild gefunden, auf das wir uns dann recht schnell als Cover geeinigt haben. Wir sind ja Fan von Fotos von echten Menschen; dieses Mal ist es mein Großvater mit seinem Bruder. Das Motiv strahlt so ein beängstigendes Gefühl von Weite aus, zwei Personen, die irgendwo in einem Raum stehen. Da ist bei uns der Film abgelaufen, das könnte auch in so einem Hotelzimmer gelaufen sein, sowas in der Art. So kam dann die Idee ins Rollen, dass wir gerne so eine Örtlichkeit hätten, auch gerne ein Hotel. Gott sei Dank hat das dann geklappt, ich mein, wo nimmst du sowas her? Sowas ist ja zunächst völlig irre, das zu probieren.

Letzen Endes hatten wir Riesenglück, dass der Malek vom Grand Hotel jemanden aus Freudenstadt vom Denkmalverein an die Strippe gekriegt hat, die das Bauwerk verwalten, ehrenamtlich. Die haben uns dann erlaubt, da zu drehen. Das ist ja auch baufällig und du kannst das nicht so einfach mieten und da drehen, die mussten wir schon überzeugen, weil das da echt nicht alltäglich ist und sie sehr vorsichtig sind.

Chris: Wir hatten halt keinen Plan B. Wir haben uns sehr viele Gedanken gemacht, wie wir mit neuen Songs raus gehen. Alle anderen Sachen haben sich nicht gut angefühlt. Das war dann auch echt kurzfristig, in einem Telefonat mit Malek meinte ich nur „Make it happen, ich weiß sonst nix“ – und er hat es einfach geschafft. Das war auch super mit dem Denkmalverein, wir konnten da 24 Stunden drehen, da kam keiner nach 8 Stunden und hat uns vertrieben. Wir durften da machen was wir wollen.

David: Die Zeit haben wir auch genutzt, weil wenn du 24 Stunden drehen kannst, dann drehst du da 24 Stunden. Entsprechend waren wir da dann auch ein bisschen müde. (lacht)

Das Grand Hotel Van Cleef als Label war demnach die absolut richtige Wahl?
Chris: Absolut. Das war aber schon klar, als wir die Entscheidung getroffen haben, dass das so wird. Viele Bands werden da auch enttäuscht, wenn sie die Labelarbeit hinter dem Namen sehen. Wir waren schon skeptisch, weil wir jedem gegenüber skeptisch sind, der in unsere ganz kleine Familie eintritt. Wir prüfen da sehr genau, was das für ein Typ ist, was er tut, was sein Einflussbereich ist … aber beim Grand Hotel war es von Anfang an super, was wollen wir mehr.

Ihr habt dieses Mal mit Philip Koch als Produzent gearbeitet. Wie wichtig ist euch der Produzent für eure Musik?
David: Schon wichtig. Es ist wichtig, dass du eine Person hast, der du das zeigen kannst und auch jemand, der im gleichen Genre stattfindet und ein Ohr hat für Post-Hardcore. Phil spielt ja bei Heisskalt, das ist schön, wenn er da drüber hören kann und bei der ein oder anderen Stelle nochmal sagt, hier könnte man nochmal was drehen. Wir haben viel mit ihm besprochen, aber haben die Songs im Prinzip fertig wenn wir ins Studio gehen und gucken, ob es nochmal Feedback gibt. Da gab es noch ein paar Ideen, von denen wir zwei drei umgesetzt haben, viele aber auch nicht, weil wir das gerne so machen, wie wir das gerne möchten. Aber es war sehr viel wert, Phil ist ein super Typ und ein wahnsinnig guter Musiker, der uns da echt unter die Arme gegriffen hat. Es war richtig schön, das mit ihm zu machen.

„Raison“ steht ja in einer klaren Verbindung mit „Paroli“ vom Vorgänger, auch wenn ich nicht weiß, ob Fortsetzung das richtige Wort dafür ist. Jetzt ist nicht die Frage, was euch bewegt hat, einen weiteren politischen Song in diese Richtung zu machen …
David: Ja leider …

… aber wie fühlt sich das jetzt an und wie reagiert das Publikum auf die beiden Songs?
Chris: Ich finde es eigentlich schön, dass du Fortsetzung sagst. Klar, sie sind unterschiedlich. „Paroli“ war eine Bestandsaufnahme von unserem Unverständnis über Menschen, die auf die Straßen ziehen, in Gruppierungen, und menschenverachtende Sachen um sich brüllen. „Raison“ war da anders, auch musikalisch, weil man gesehen hat, dass sich jüngere aber auch ältere Leute dagegen mobilisiert haben. Das haben wir in den Anfängen von Pegida ein bisschen vermisst. So sehr das Thema Rechtspopulismus in die Mitte der Gesellschaft gerückt wurde, so sehr rückt auch die linke Gegenbewegung wieder in die Mitte.

„Raison“ war dann der Song, bei dem wir gesagt haben, ok, wir haben verdammt harte und gefährliche Zeiten, aber wir haben so viele Gründe dagegen anzukämpfen und stark zu sein, lass uns das tun. Mehr so die Intention für jeden, der auf einer Demo ist, und zu sagen, danke für das was du da tust und wir tun das alle aus diesen oder jenen Gründen. Das ist jetzt ein anderer Blickwinkel auf Rechtspopulismus.

(c) Andreas Hornoff

Ich hoffe auch, dass die Reaktionen unter euren Fans auf den Song gut waren. Es gibt ja auch Menschen, die in alternativen Kreisen unterwegs sind, und trotzdem sagen, dass Rechtsruck ja gar nicht so schlimm ist, weil eh alles so links ist. Die Frage ist, wie geht man mit sowas um, wenn jemand zum Beispiel sagt, er findet die Mucke geil, aber die Texte scheiße?
Chris: Direkt haben wir das in unserem Fall noch nicht mitbekommen, aber über Ecken. Wir haben als Band unseres aber getan, wenn jemand so eine Reaktion zeigt. Dadurch ist ja was passiert, wenn jemand sagt, das ist scheiße, dann muss er sich ja eigentlich mit unserer Ideologie beschäftigen. Wenn er dann sagt, das ist zu links, dann ist dem eh nicht mehr zu helfen. Wir sagen jetzt sicher nicht, dass jemand, der anders denkt als wir, sich verpissen soll. Wir wollen die Leute mit ins Boot nehmen. Deswegen so eine Zeile wie „Ich habe 1933 Gründe schwarz zu sehen“.

Wir wissen was in der Vergangenheit passiert ist und wissen, dass auch das sehr sehr low angefangen hat, blöd gesagt, mit einer Arbeitsmarkt-Vertiefung, was dann im Holocaust geendet ist. Wir wissen, wie sich ein rechter Populismus entwickelt, das haben wir gelernt und das wird auch immer so sein. Es gibt da einfach keine abgeschwächte Version von, das ist hochbrandgefährlich. Und solche Leute … man muss weiter mit denen reden. Wenn sowas in Musikforen kommt, und ich bin kein Fan von Internetkommunikation, aber man muss dagegen halten. Man muss weiter mit den Leuten reden. Kommunikation ist das Wichtigste, man kann Leuten mit Argumenten kommen und wenn sie zumachen, dann machen sie zu. Aber dann kann man sich nicht vorwerfen, es nicht versucht zu haben. Musik ist da dann also so etwas wie ein Gedankenanstoß, einfach um zu wissen, ey das ist brandgefährlich.

Es gibt ja so ein schon fast klassisches Hardcore-Ding, dass Bands sich oft zu früh auflösen – aber trotz dem letzten Song auf „Couleur“ muss man bei euch keine Angst vor sowas haben, hoffe ich?
David: Ach, das weißt du nie. Du weißt nie, ob du noch eine Platte zustande kriegst, das ist ein Prozess der sich entwickelt. Gerade sind wir sehr happy so wie es ist, dass wir drei mit unserer Crew das machen dürfen, was wir machen.
Chris: Wir haben Bock, aber die Kreativbatterien sind grade leer. Wir können uns alle sehr sehr gut riechen, das ist doch das beste Zeichen dafür, dass wir weitermachen.

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Dieses Interview wurde persönlich geführt.

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