Nach fünf langen Jahren haben die italienischen „Suicide Pop“-Schönlinge von SPIRITUAL FRONT mit „Amour Braque“ endlich wieder neues Material herausgebracht – erstmals über Prophecy Productions, begleitet von einem Re-Release ihres Erfolgsalbums „Armageddon Gigolo“. Was das Trio zum Labelwechsel und zum Re-Release bewogen hat, welche Schattenseiten der Liebe die Band auf ihrem neuen Album besingt und welchen Bezug die Italiener zum Metal haben, erfahrt ihr im Interview mit Frontmann Simone Salvatori.
Euer Bandname, SPIRITUAL FRONT, steht in einem gewissen Kontrast zu euren doch recht sinnlichen Texten. Was steckt hinter diesem Gegensatz?
Unser ganzes Leben ist von Gegensätzen geprägt. Ganz offensichtlich gibt es einen Gegensatz, aber wenn man ihn tiefer analysiert, kann man leicht feststellen, dass nichts zu 100 % rein ist oder umgekehrt, wir sind mit der nutzlosen Idee von Gut und Böse aufgewachsen, aber diese beiden Begriffe sind nie voneinander getrennt.
Eure Musik ist sehr vielfältig, hat aber dennoch einen gewissen eingängigen Pop-Appeal. Was haltet ihr hingegen von der Pop-Musik, die sonst aus Italien kommt?
Wir wollen immer etwas von unseren kulturellen und musikalischen Wurzeln in unsere Platten einfließen lassen, vor allem wenn es um große Komponisten wie Morricone, Umiliani, Ortolani und Nicolai geht, aber wenn du damit Scheiße wie Mainstream-Pop meinst, auf keinen Fall! Gerade jetzt schaue ich mir eines der größten Musikevents in Italien im Fernsehen an, das jeden 1. Mai organisiert wird, nun ja, außer den wichtigsten nationalen Stinkstars gibt es nur ein Dutzend nutzloser, ekelhafter Rapper, die zur Welle des Durchfall-Hip-Hop gehören.
Eure Musik wird bisweilen mit der von Nick Cave verglichen. Siehst du da selbst auch Parallelen? Und welche Musiker haben euch sonst in eurem Schaffen inspiriert?
Um ehrlich zu sein, ich war nie ein Nick-Cave-Fan, er ist ein großartiger und einzigartiger Künstler, aber ich kann nicht sagen, dass SPIRITUAL FRONT von ihm beeinflusst wurde; hinsichtlich seiner Auftritte, ist er definitiv einer der größten Künstler, die ich in den letzten 20 Jahren live gesehen habe. Meine Haupteinflüsse sind wahrscheinlich: Scott Walker, Johnny Cash, Calexico, Dead Can Dance, The Smiths, Lloyd Cole, Marc Almond, Ennio Morricone, Death In June.
Eure Fangemeinde scheint sehr bunt gemischt zu sein, darunter finden sich auch einige Metaller. Habt ihr selbst auch einen Bezug zum Metal?
Ich bin auch mit Metal aufgewachsen, besonders mit Thrash und Death, und ich betrachte manche Metal-Alben immer noch als einige meiner All-Time-Favoriten: „Into The Pandemonium“ (Celtic Frost), „Leave Scars“ (Dark Angel), „Leprosy“ (Death), „Kill For Pleasure“ (Blood Feast), „Persecution Mania“ (Sodom), „Cause Of Death“ (Obituary), „War Master“ (Bolt Thrower), „Harmony Corruption“ (Napalm Death) und viele mehr.
Seit eurer letzten Veröffentlichung sind fünf Jahre vergangen, nun habt ihr mit „Amour Braque“ eure neue Platte herausgebracht. Was war in der Zwischenzeit bei euch los?
Wir spielten viel herum, wir verbrachten viel Zeit im Studio, experimentierten, was aber besonders viel zeit kostete, war der Labelwechsel in diesen Jahren. Diese Sachen haben uns davon abgehalten, das Album früher zu veröffentlichen.
Wie der Titel schon sagt, besingt ihr euch diesmal die Liebe von ihrer dunklen Seite. Dennoch scheint das neue Album etwas anschmiegsamer zu sein als eure bisherigen Werke. Würdest du mir da zustimmen und falls ja, aus welchem Grund ist das so?
Die kranke Natur der Liebe tötet immer wieder Menschen (lacht), wahrscheinlich komme ich damit zurecht, aber ich kann dennoch ihre schreckliche, mehrdeutige Natur erkennen. Ich ziehe es vor, mich diesem Thema zu stellen, denn es nimmt einen großen Teil unserer Existenz ein, zumal es mehr als ein zärtliches Gefühl ist, es ist der maskierte Wille, sich zu unterwerfen und den anderen zu besitzen.
Warum habt ihr euch für den französischen Titel „Amour Braque“ entschieden? Findest du nicht, dass sich Italienisch auch als „Sprache der Liebe“ eignet?
Sowohl „braque“ als auch „balordo“ drücken die verfaulte Natur der Liebe perfekt aus, wahrscheinlich besser als der englische Begriff dafür! Und ja, „braque“ könnte wahrscheinlich als etwas Krankes, Schmutziges, Niedriges übersetzt werden, aber wie gesagt, sowohl auf Italienisch als auch auf Französisch hat es eine intensivere und vollständigere Bedeutung.
Würdest du sagen, dass du persönlich ein gutes Verhältnis zur Liebe im Allgemeinen hast oder siehst du sie aufgrund ihrer Schattenseiten doch eher vorrangig als Bürde?
Wie ich eingangs sagte, kann nichts, besonders wenn es sich auf die menschliche Natur bezieht, als 100 % rein oder verdorben betrachtet werden, Liebe kann leicht in diese Kategorie eingeordnet werden, mehr als jedes andere Gefühl, sie enthält Elemente der Unterwerfung, Ausflüchte, Missbrauch, Bedauern…. wir versuchen, diese Aspekte zu verbergen, aber tief in unserem Herzen wissen wir, dass wir Komplizen dieser Dekadenz sind, und wir lieben sie.
Was ist für dich der Unterschied zwischen Kitsch und aufrichtiger Romantik?
Sie sind auf verzweifelte Weise miteinander verbunden.
Eure Texte sind für gewöhnlich auf Englisch verfasst. Aus welchem Grund ziehst du es vor, in dieser Sprache zu singen, anstatt in eurer Muttersprache?
Wir bevorzugen Englisch, weil es einfach als Code funktioniert, jeder kann den Sinn verstehen. Wir haben nie behauptet, englisch oder amerikanisch zu sein, das interessiert uns nicht.
Musikalisch ist „Amour Braque“ sehr abwechslungsreich. „Children Of The Black Light“ klingt für mich zum Beispiel schon fast nach einem Musical. War das eure Absicht und falls ja, was steckt genau dahinter?
Wir sind von vielen Dingen beeinflusst, von Soundtracks bis Folk, von Country bis New Wave, alles wird von unseren Händen gemischt und wiederbelebt, wir wollten nie und wir hatten nie den Drang, nur einem Genre zu folgen, das ist nichts für uns, Musik sollte unsere Persönlichkeit widerspiegeln, langweilige Menschen machen langweilige Musik, das ist alles.
Euer neues Album erschien auf Prophecy Productions, davor wart ihr bei Trisol, richtig? Was hat euch zum Wechsel eures Labels bewogen?
Ja, nach Trisol wollten wir das neue Album über Out Of Line veröffentlichen, dann haben wir wieder gewechselt, aber am Ende haben wir uns für Prophecy entschieden, sie schienen geradliniger und korrekter als die anderen. In der Vergangenheit hatte ich bereits die Möglichkeit, mit Stephan zu sprechen, aber ich war bei den vorherigen Labels unter Vertrag, also geschah nichts, aber Gott sei Dank, nach vielen langweiligen und unangenehmen Drangsalen kamen wir zu Prophecy, also gibt es kein Entkommen aus Deutschland, auf die eine oder andere Weise.
Neben eurem neuen Album gibt es außerdem einen Re-Release von „Armageddon Gigolo“. Warum habt ihr gerade dieses Album neu veröffentlicht?
Ursprünglich wollten wir damit sein zehnjähriges Jubiläum feiern. Es ist auch eines der beliebtesten Alben von SPIRITUAL FRONT.
Auf den Deluxe-Editionen gibt es einige Demos und alternative Versionen der Albumtracks. Habt ihr sie bewusst für den Re-Release aufgenommen oder haben sie bereits früher existiert?
Einige wurden in einer Schublade vergessen, andere wurden absichtlich neu aufgenommen, wiederum andere wurden zu früherer Zeit komponiert, aber nie offiziell veröffentlicht.
Ihr habt sogar ein Cover von Venoms „In League With Satan“ veröffentlicht. Wie kam es dazu, warum gerade dieser Song?
Ich liebe Venom, eine der größten Metal-Bands überhaupt, ich erinnere mich, als ich sie entdeckte, ich war ein junges Kind, ich war total schockiert und erstaunt, sie waren super…. Wir wollten ihnen damit unseren Respekt zollen.
Gibt es unter den Bonustracks einen, der dir persönlich sogar besser gefällt als das Original?
(Lacht) So viel wage ich nicht zu sagen.
Wie wird es als Nächstes mit SPIRITUAL FRONT weitergehen? Habt ihr schon Pläne für eine Tour oder dergleichen?
Wir werden immer stramm stehen, gegen jeden Trend, gegen den Mainstream-Scheiß. Ich werde auch bald mit meinem neuen Projekt namens The Lust Syndicate etwas herausbringen, das Album wird von Trisol lizenziert.
Beenden wir das Interview nun mit unserem traditionellen Metal1.info-Brainstorming:
Zensur: Es kommt darauf an. Kinder können nicht dieselbe Wahrnehmung von der Welt haben.
Fetisch: Zu oldschool.
Western Filme: Meine Lieblinge.
Neofolk: Ist tot.
Tourismus: Hält uns am Leben, aber man sollte sich vom globalisierten Standard-Tourismus fernhalten.
Politik in Italien: Scheiße, wie überall. Es ist eine Maskerade, die Macht gehört der Finanzelite und ein paar anderen Globalisierungsgruppen, die Politiker gehorchen denen nur. Das Geld spricht und die Leute hören zu.
Zum Abschluss nochmal ein großes Dankeschön für deine Antworten. Die letzten Worte möchte ich dir überlassen:
Folgt euren Herzen, befreit eure Sexualität und befreit euch selbst.