Lasst uns über Geld reden #2 – Die Underground-Band

Nachdem zuletzt unsere Kolumne zur Verfassung der Folk-Metal-Szene (Im Namen des Folkes #1) und die Replik aus der Sicht eines Musikers von Robert Meyer / Tir Nan Og (Im Namen des Folkes #2) in der Mittelalterszene für viel Diskussionsstoff sorgten, versetzte ein Facebook-Statement der deutschen Dark-Metaller Crematory die Metaller szeneübergreifend in Aufruhr. Alboin, Kopf der deutschen Black Metaller Eïs, veröffentlichte hier einen Gastbeitrag dazu. Nun möchte auch ich als langjähriger Musiker in einer Underground-Metalband etwas zu diesem schwierigen Thema schreiben:

Crematory und der geplatzte Kragen des Markus Jüllich

Lange bevor ich hier bei Metal1.info als Redakteur angefangen habe, habe ich mit ein paar Freunden eine Metal-Band gegründet, in der ich noch heute aktiv bin. Es ist sehr interessant, die Szene sowohl aus dem Standpunkt eines Fans, eines Konzertbesuchers als auch aus der eines Musikers sowie der eines Musikredakteurs zu sehen, der sich zwischen Fan und Band positioniert. Dementsprechend war Markus Jüllichs Statement für mich bis zu einem gewissen Punkt durchaus nachvollziehbar. Was er über den sich wandelnden Musikmarkt und den Einfluss der Fans darauf schreibt, ist natürlich im Grunde richtig. Ihnen deshalb die Schuld, insbesondere die alleinige Schuld, an der eigenen Band-Misere zu geben, ist aber nicht nur unfair, sondern auch anmaßend und schlicht falsch. Denn wie man sich vermarktet, hat man in erster Linie selbst in der Hand. Dennoch erscheint es mir seit Jahren so, dass es massive Kommunikationsschwierigkeiten zwischen Bands und ihren Fans gibt, sobald es zum schwierigen Thema Finanzen kommt. Ich möchte daher meine eigenen, sicherlich nicht für die gesamte Metalszene repräsentativen Erfahrungen schildern, um vielleicht ein wenig Klarheit in der Angelegenheit zu schaffen. Im Raum steht wie immer die zentrale Frage:

Was verdient man eigentlich als Metal-Band?

Das ist natürlich, wie bei jedem Beruf, pauschal so nicht beantwortbar. Mit meiner Band habe ich gerade erst vor einem halben Jahr unser zweites Album veröffentlicht. Dieses Mal über ein kleines Label, von dem wir Anfang des Jahres unsere erste vollständige Abrechnung mit konkreten Verkaufs- und Verdienstzahlen erhielten. Ich möchte es kurz und knapp machen: Für uns blieben etwa zehn Euro übrig, also knapp der Verkaufspreis einer CD. Warum ist das so?
Viele haben sicherlich mal etwas über die Bezahlung von Streamingdiensten wie Spotify, Deezer, iTunes oder derartigen Anbietern gelesen. Diese Bezahlung ist sehr schlecht. Man bekommt pro Stream einen Bruchteil eines Cents. Bei Spotify, dem Anbieter mit den meisten Nutzern, waren es 2017 im Durchschnitt zwischen 0.38 und 0.44 Cent (US-Währung). In der Tat ist das so wenig, dass diese Anbieter vollkommen ungeeignet sind, um mit seiner Musik auch nur minimal Geld zu verdienen. Als Beispiel: Von unserem neuen Album hatten wir zum Abrechnungszeitpunkt etwa 1000 Song-Streams auf Spotify. Zusammen mit allen anderen, kleineren Streaming-Diensten kamen wir letztlich auf eine Gesamtsumme von etwa fünf Euro, wovon aber aufgrund vertraglicher Regelungen so ziemlich alles ans Label ging – ebenso wie ein Großteil der Einnahmen aus Download- und CD-Verkäufen.

Nun ist Streaming, wie gerade erwähnt, natürlich nicht die einzige Möglichkeit, Geld zu verdienen. Zahlenmäßig am meisten Musik verkauft wird heutzutage durch Downloads. Einige nutzen hierfür nach wie vor illegale Torrents, wodurch wir natürlich nichts verdienen. Nehmen wir aber einmal an, alle halten sich an die Regeln und nutzen Online-Shops, selbst dann bleibt uns meist, natürlich abhängig von den Vertragsbedingungen des gewählten Labels, auch nur ein kleiner Teil des Kaufpreises. Wer sichergehen will, dass wirklich der größte Teil bei der zu unterstützenden Band landet, der sollte sie für einen Kauf entweder direkt kontaktieren (das ist natürlich nur bei kleineren Bands möglich) oder Dienste wie Bandcamp nutzen. Denn abgesehen von einer kleinen Verkaufsgebühr geht hier der Großteil direkt an uns Musiker. Bei physischen CDs verhält es sich ähnlich, in diesem Fall hat man noch zusätzlich die Möglichkeit des Kaufes auf einem Live-Konzert. Hier geht tatsächlich alles an die Band (höchstens abzüglich eines Anteils für den Merch-Verkäufer, falls dieser extern engagiert wurde).

Und wo liegt nun das Problem?

Das Problem beziehungsweise die Herausforderung, an der sich aktuell viele die Zähne ausbeißen, ist die, dass sich der Musikmarkt und das Konsumverhalten über die letzten Jahre, genauer gesagt seit der Existenz des Internets und der Einführung der ersten Tauschbörsen und Streamingdienste, dahingehend verändert hat, dass rentable CD-Verkäufe stark zurückgingen und Streamingzahlen stark anstiegen. Savatage-Sänger Jon Oliva berichtete im Interview mit Metal1.info, dass seine vor 15 Jahren noch sechsstelligen Einnahmen nun auf einen vierstelligen Betrag geschrumpft seien. Thy-Art-Is-Murder-Fronter CJ McMahon verließ die Band, weil er sie sich nicht mehr leisten konnte. Und das sind keine Einzelfälle (in diesem Zusammenhang muss man übrigens auch einfach endlich mal eingestehen, dass Lars Ulrich damals mit seinen Worten über Napster und Co., für die er heute noch belächelt oder sogar attackiert wird, recht hatte). Viele professionelle Musiker in bekannten Metal-Bands berichten in Interviews, dass sie nebenbei flexible Zweitjobs annehmen müssen, um überleben zu können.

Darüber hinaus gibt es ja auch viele Bands, die den Sprung von der kleinen Hobby-Undergroundband zur professionellen Band schaffen wollen. Dafür muss man aber vor allem viel Zeit und viel Geld investieren. Wer viel Zeit braucht, der kann nebenbei in seinem Zweitjob nicht viel arbeiten. Wer jedoch nicht viel arbeitet, der hat wenig Geld. Anders als bei größeren Bands ist hier zudem unsicher, wie gut der Plan aufgeht und wie viel sich von den Investitionen tatsächlich am Ende auszahlt. Eine Zwickmühle. Immer wieder zeigen Bands zwar, dass dies durchaus möglich ist, wenn man sich dahinterklemmt. Aber wenn selbst bekanntere Metalbands sich ihr Leben allein durch Musikverkäufe nicht finanzieren können, wie sieht es dann erst für weniger bekannte Formationen wie meine Band aus?

Die finanzielle Lage einer Underground-Band

Wir haben uns aufgrund dieser riskanten Lage bandintern darauf geeinigt, dass die Band für uns immer nur ein Hobby sein wird und wir andere Hauptberufe verfolgen. Fünf von uns, mich eingeschlossen, sind Studenten, einer arbeitet bereits. Das bedeutet zwangsläufig, dass wir als Band gewisse, eng gesteckte Grenzen haben. Es ist nur eine geringe Anzahl an Konzerten pro Jahr möglich, limitiert durch Urlaubstage und dadurch, dass man als unbekannte Band ohne Ruf ohnehin so nicht einfach an viele Konzerte kommt. Richtige Touren sind, wenn überhaupt, nur im kleinen Stil für uns drin, vielleicht mal ein bis zwei Wochen am Stück. Jedem sollte dabei klar sein, dass so etwas nicht annähernd ausreicht, um mit unserer Musik etwas Großes zu erreichen. Die Bekanntheit einer Band definiert sich in den allermeisten Fällen immerhin darüber, wie viel sie live in der Welt unterwegs ist. Trotzdem haben ja auch wir Kosten zu tragen, wenn wir unsere Musik für unsere Hörer hochwertig produzieren und anständig vermarkten wollen. Die komplette Produktion, von den Aufnahmen, über Mix, Master hin zu Artwork, Videos, Werbung, Merchandise und allem, was dazugehört lag bei uns am Ende im unteren fünfstelligen Bereich.

Die schwierige Frage: Label – ja oder nein?

Dazu kamen noch die Kosten für unser Label, denn natürlich will auch dieses für seine Arbeit bezahlt werden, zumal wir ihm als kleine Band keinerlei Sicherheit garantieren können, so wie Amon Amarth das beispielsweise könnten. Das stellt ein wesentliches Hindernis für kleinere Bands dar, denn die Kosten für Labels sind nicht zu unterschätzen, liegen für Bands unserer Größe auch meist im unteren bis mittleren vierstelligen Bereich. Letztlich sichert das Label sich dadurch finanziell ab und möchte im besten Fall sogar noch dazuverdienen, falls es sich am Ende von den Verkaufszahlen her nicht auszahlen sollte, uns unter Vertrag genommen zu haben. Auf der anderen Seite gibt es aber niemanden, der uns finanziell absichert, falls alles schiefgeht und man legt so in gewisser Weise auch viel Verantwortung und seine Ersparnisse in die Hände einer fremden Firma.

Gerade bei Underground-Bands ohne Erfahrung kann das leicht zu Situationen führen, in der die Bands große Verluste machen, denn man weiß ja vorher nie zu 100 %, ob man es mit einem gewissenhaften, sorgfältig arbeitenden Label oder einem schlampigen Amateurverein (oder gar systematischen Abzockern) zu tun hat. Diese Erkenntnis kommt erst hinterher und kann dann eben unter Umständen mehrere Tausend Euro gekostet haben. Für viele gibt es daher nach der ersten Erfahrung das böse Erwachen. Manche entscheiden sich deshalb sogar schon davor bewusst dagegen, bei einem kleinen Label zu unterschreiben. Wer sich allerdings dafür entscheidet, der tut das in dem Wissen, dass man, selbst wenn alles reibungslos läuft (was es in der Realität fast nie tut) vielleicht gerade einmal einen Bruchteil seiner Ausgaben zurückbekommen wird.

Musiker, versetzt euch in die Lage eurer Fans!

Der enorme Frust von Crematory und anderen Bands ist also irgendwo schon nachvollziehbar, zumal man stets einen wunden Punkt bei Fans trifft, den viele nicht hören und gar nicht erst wahrnehmen wollen. Laut werden sofort die Forderungen, dass Musik Kunst sei und Kunst mache man ja der Kunst wegen und nicht für Geld. Aber so einfach ist das alles nicht. Kunst zu erschaffen kostet viel Geld. Metal-Musiker, egal ob Undergroundmusiker wie ich oder die Musiker in den großen Bands der Metalwelt, träumen nicht vom großen Reichtum, das ist einfach utopisch und das weiß auch jeder. Es geht nur überhaupt darum, mit seiner Kunst, wenn man sie denn in Vollzeitbeschäftigung betreibt, zumindest die Lebenskosten abdecken zu können. Oder in unserem Fall zumindest ein klein wenig der hohen Ausgaben wieder zurückzubekommen. Wenn selbst das nicht funktioniert, dann läuft etwas schief und es gilt herauszufinden, wo genau etwas schief läuft. Die Fans zu attackieren und ihnen die Schuld zuzuschieben ist hierfür allerdings nicht der richtige Ansatz.

Zu glauben, dass man an den inneren Idealisten in den Leuten appellieren muss, um einen Wandel der Szene herbeizuführen, ist träumerisch und naiv. Das mag bei einer geringen Anzahl an Leuten klappen, wenn man die richtigen, emotionalen Knöpfe drückt, doch der Großteil wird weiterhin auf das Geld im eigenen Geldbeutel schauen. Auch wir Musiker wissen, dass CDs und Konzertkarten nicht günstig sind und man sich eine solche Investition gut überlegen muss. Vielen Bands fehlt aber angesichts der eigenen Ausgaben das Verständnis, wenn Fans sich über 30 Euro für ein Ticket oder 15 Euro für eine CD beklagen, weil man als Musiker leider oft vergisst, dass auch Musikhörer nebenbei noch andere Hobbies und Ausgaben haben und nicht all ihr Geld in Musik stecken können, so wie man das vielleicht selbst tut. Auf der anderen Seite fehlt auch oft das Verständnis der Fans, dass auch CDs zu produzieren und Konzerte zu veranstalten enorme, keineswegs selbstverständliche Investitionen sind, die sich dann oft nicht einmal auszahlen. Gerade im Underground-Bereich bleibt man eben auf diesen Kosten im vier- bis fünfstelligen Bereich sitzen, je nachdem wie geschickt man sich marketingtechnisch anstellt natürlich.

Marketing ist das entscheidende Stichwort

Letztlich muss man aber trotz aller Hindernisse für die Musiker sagen, dass jeder seines Glückes Schmied bleibt. Denn jeder Wandel bietet neue Möglichkeiten, die Vermarktung seiner Band zu optimieren. Viele, die seit Jahrzehnten aktiv sind, scheitern aktuell daran, dass sie die neuen Möglichkeiten nicht zu nutzen wissen. Streamingdienste wie Spotify haben den Musikmarkt dahingehend revolutioniert, dass es viel einfacher ist neue Musik zu entdecken. Social Media ist ein wichtiges Werkzeug, um seiner Band die nötige Präsenz zu verschaffen. Gerade viele junge Newcomer haben früh gelernt, dass beides einen großen Vorteil darstellt, da man so leichter gefunden werden kann, wenn man sich strategisch clever anstellt. Viele Musiker haben außerdem inzwischen erkannt, dass die großen Einnahmequellen darüber hinaus nicht mehr in den CD-Verkäufen, sondern beispielsweise im Merchandise-Verkauf liegen. Behemoth sind ein gutes Beispiel dafür. Mag es für viele auch nervig sein, auf der Facebookseite statt Neuigkeiten zur Musik die hundertste Werbung für eine neue Tasse, eigenen Kaffee, Kerzen oder sonstigen Kram lesen zu müssen: Dieser Weg funktioniert heutzutage nun mal besser, als nur stur seine Musik zu bewerben.

Eines steht am Ende fest

Ein derartiger Wandel ist ein komplexes, vielseitiges Thema und einfach die Fans für die ausbleibende Bezahlung verantwortlich zu machen bedeutet willkürlich einen Sündenbock festzulegen und hilft daher langfristig nicht weiter. Im Gegenteil. Die Rechnung für ihr arrogantes Auftreten bekamen Crematory direkt in den Kommentarspalten. Musik bedeutet auch einen respektvollen Dialog zwischen Bands und ihren Fans zu führen. Vielleicht ist es einfach an der Zeit, aufeinander zuzugehen, statt sich gegenseitig die Schuld für eine schwierige Lage in die Schuhe zu schieben.

Publiziert am von Simon Bodesheim

2 Kommentare zu “Lasst uns über Geld reden #2 – Die Underground-Band

  1. … oder einfach menschen die kunst als vehikel benutzen um sich persönlich zu bereichern, links liegen lassen ?
    mag vielleicht für den ein oder anderen blöd klingen, aber wenn ich mit meinem hobby nicht genug verdiene um davon leben zu können … hab ich entweder das falsche hobby oder bin nicht gut genug/treffe nicht den konsens (was bei metal ja eh lächerlich ist ;) )

    da gab es einmal diese kurze zeit wo ein paar leute den dicken reibach gemacht haben, und da heulen alle hinterher. jetzt sind wir wieder da wo wir VOR 1950/60(?) waren. ein paar auserwählte verdienen damit richtig geld und alle anderen struggeln.

    wenn irgend ein kreativer musiker aus dem 18jahrhundert die möglichkeiten gehabt hätte wie sie bands heutzutage haben … aber die würden vermutlich auch rumheulen das sie vorher nichts verdient haben und jetzt auch nichts verdienen.
    und ja relativieren ist nie geil… aber es gibt nicht genug menschen mit kohle um jeden talentierten menschen „durchzufüttern“ da geht leider die misch kalkulation nicht auf… sagt der kommi in mir (grundeinkommen 4tw) :)
    und das man 30jahre lang scheisse zu gold machen konnte und heutzutage etwas anders angehen muss … lauf der dinge und wie in der sehr schönen kolumne beschrieben :)

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