Ein Haufen Wachsmalstifte schießt auf ein einem Hammerhai nachempfundenes Raumschiff? So sieht es also aus, wenn das Böse niemals schläft? Ganz so ungewohnt ist das alles ja nicht, das quasi-religiöse Böse ist das berühmte Andere, dem man mit wachsmalerischer Unbarmherzigkeit begegnet: die Logik des Krieges in Pastellfarben. Ähnlich ruhelos scheinen seit einiger Zeit die Kalifornier von ST. ELMO´S FIRE zu sein; das Quartett hatte zuletzt seine zwischen 1986 und 1992 veröffentlichten Alben wieder zugänglich gemacht und legt jetzt mit „Evil Never Sleeps“ das erste Studio-Album seit über 25 Jahren vor. Es steht zu vermuten, dass außer Zeitgenossen und ausgewiesene Kenner des US-Metals nurmehr wenige Menschen die Band auf dem Schirm hatten – „Evil Never Sleeps“ ist also auch der Versuch, sich auf dem schwermetallischen Marktplatz wieder neu zu platzieren.
Wie bei Reunions nicht ungewöhnlich, versuchen auch ST. ELMO´S FIRE, an die Klangwelten vergangener Glanzzeiten mehr oder weniger nahtlos anzuschließen. Der Sound der Amerikaner bemüht sich um eine authentische Old-School-Aura und tatsächlich wirken die Songs auf „Evil Never Sleeps“ so, als wären die vergangenen zwei Dekaden spurlos an ihnen vorbeigegangen. Schon der Opener „We Will Not Die“ lässt erahnen, was den Hörer im Verlauf des restlichen Albums erwarten wird: durch und durch traditioneller US-Metal, der hier und da Riffs aus dem frühen Thrash Metal entlehnt und vor allem in der zweiten Hälfte auch mal Anleihen an den Sleaze-Rock à la Def Leppard macht. Eine durchaus gefällige Mischung also. Der Neuzugang am Mikro, Kevin Brady, fügt sich spannungsfrei in den Sound der Band ein und weiß mit seiner zwar limitierten, aber in puncto Klangfarbe sehr sympathischen Stimme zu gefallen. Mit zwei Ausnahmen („We Will Never Die“ sowie „Lord Of Thunder“) setzt die Band auf groovige, langsamere Tempi und eher simple Songstrukturen, in denen viel Raum für die ziemlich coolen und genre-bewusst zweistimmigen Gitarren-Leads gelassen wird. Gerade hinsichtlich der Gitarrenarbeit macht sich aber die etwas dumpfe, drucklose Produktion bemerkbar, weil die ausgefeilten Leads nicht immer klar durchdringen und definitiv präsenter hätten ausfallen müssen.
Trotzdem weiß vor allem die erste Hälfte des Albums voll zu überzeugen. Das thrashige „Lord Of Thunder“ mit seinem Ohrwurm-Refrain sowie die ebenso eingängigen „Betrayer“ und „I Beginn“ sind stilsicher komponierte Metal-Songs mit sattem Riffing und einprägsamen Melodiebägen. Leider können ST. ELMO´S FIRE dieses Niveau nicht über die gesamte Spielzeit hinweg halten und es schleichen sich mehr und mehr austauschbare und vor allem höhepunktfreie Songs ein. So ist gerade der Titelsong auffallend einfallslos geraten und auch Stücke wie „Hammer“ oder „Unslaved“ sind ziemliche Durchschnittsware. Und so haben die vier Kalifornier zwar kein wirklich schlechtes, aber eben doch nur knapp überdurchschnittliches Album aufgenommen, dem ein paar klarerer Konturen gut getan hätten. Das nächste Mal weniger Wachsmalstifte, bitte.
Wertung: 6.5 / 10