Mit „Memories Of Better Days Are Gone“ haben die deutschen Post-Crust-Punker [B.ABUSE] ein in gewisser Weise bipolares, unglaublich eindringliches Album kreiert, das mit seinen gleichermaßen von Voivod wie von The Cure inspirierten Songs eine Szenerie der post-apokalyptischen Verwüstung wiedergibt. Im folgenden Interview stand uns Bassist und Sänger Claude Ratinier Rede und Antwort zu seinen vielfältigen Einflüssen, seinen Vorstellungen von musikalischen Extremen und der möglichen Ausrichtung des nächsten Albums.
Hallo! Zuerst mal danke, dass du dir ein wenig Zeit für uns nimmst. Wie geht’s dir denn?
Hallo, ich werde mir jetzt erst mal ein Pseudonym zulegen und entscheide mich für „Claude Ratinier“. Na ja, wie soll es einem gehen, wenn man den ganzen Tag von Smartphone-Zombies umgeben wird… „Walking Dead“ ist wohl doch schon realer, als gedacht…
Euer Bandname [B.ABUSE] ist recht ungewöhnlich. Was steckt dahinter?
Da steckt genauso wenig dahinter, wie bei gefühlten 90% aller Bandnamen, außer den restlichen 10%, die einfach ihren eigenen Namen benutzen, wie R. J. Dio, Udo Lindenberg etc. Ich wurde in den Achtzigern von einer Band namens Verbal Abuse inspiriert. Das „Abuse“ blieb und es kam noch ein „B“ davor, also komplett sinnlos. Aber wir könnten uns ja eigentlich, nach 27 Jahren, auch noch schnell in „Claude Ratinier“ umbenennen?
Eure Einflüsse sind wirklich breit gefächert, Beispiele sind etwa Neurosis, Godflesh und The Cure. Gibt es überhaupt eine Form von Musik, mit der ihr überhaupt nichts anfangen könnt?
Da hast du jetzt tatsächlich ein paar von mir recht verehrte Bands genannt! Eine Musikrichtung, mit der ich so gar nichts anfangen kann, wären alle Arten von, ich sage mal: „Fun-Musik“, denn ich sehe Musik niemals als „Fun“ an, sondern immer als etwas Kraftgebendes, als einen Rettungsanker, den man in ein Loch geworfen bekommt, um sich wieder daraus befreien zu können. Generell mag ich auch keinen Hip Hop der heutigen Zeit. Der heutige Hip Hop ist für mich nichts Anderes als Autoscooter-Kirmes-Musik. Natürlich gibt es sicher auch ein paar positive Ausnahmen, das möchte ich auch gar nicht bezweifeln, aber Hip Hop ist einfach nicht mein Ding, wobei ich das schon von den Oldschool-Rap-Interpreten der Anfangszeiten trenne, ganz klar.
Dementsprechend ist eure Musik nicht leicht zu kategorisieren. Wie würdest du denn euren Stil bezeichnen? Und siehst du überhaupt einen Sinn in der Einteilung in Genres?
Unsere Musik jetzt selbst zu kategorisieren wäre, wie wenn man täglich sein eigenes Spiegelbild sieht und irgendwann später, im Laufe des Tages irgendwo ein Bild von sich und dann denkt: „Ich sehe auf dem Bild ja total mies aus?!“ Und in Wirklichkeit sieht man aber immer mies aus, man nimmt es nur anders wahr… Eine Einteilung in Genres dient am Ende doch auch nur als Anhaltspunkt für den Hörer, sonst könnte man ja auch nie etwas über Bands schreiben.
Was hältst du von Bands, die ausschließlich ein bestimmtes Genre spielen?
Klasse – jeder, wie er will, warum auch nicht?
Bei eurer vielfältigen Stilistik scheint es mir unwahrscheinlich zu sein, dass ihr immer auf dieselbe Weise komponiert. Wie genau läuft bei euch das Songwriting für gewöhnlich ab?
Ich würde sagen, zu 80% werden die Songs von mir zusammen mit unserem Gitarristen entwickelt, wobei ich da immer ganz gerne mit meiner Loopstation arbeite, damit kann ich, außer meiner Bass-Spur z.B. auch einen Drumbeat oder einen Gitarrenpart vorbereiten, wenn mir da schon etwas Bestimmtes vorschwebt. Im Proberaum „verfeinert“ unser Gitarrist das Ganze auf seine Art und Weise oder es entsteht sogar etwas ganz Neues daraus. Unser Gitarrist hat zwar eigentlich auch eine Loopstation, aber er trägt seine Ideen meistens eher auf der Probe vor oder hat sie vorher zu Hause aufgenommen und präsentiert sie uns dann im Proberaum. Die restlichen 20% würde ich dem spontanen Drauflos-Jammen zuschreiben und der damit einhergehenden Inspiration, da ist auch schon so manches ganz spontan zusammen entstanden.
Euer neues Album trägt den Titel „Memories Of Better Days Are Gone“. Welche Tage sind damit gemeint – die Vergangenheit oder die Gegenwart?
Meine eigene Jugend.
In den Texten des Albums beschreibt ihr sehr konkret eine Dystopie, in der die Gesellschaft zerfallen ist. Haltet ihr eine solche Zukunft tatsächlich für möglich oder ist das nur ein Gedankenspiel?
Alles ist möglich.
Ihr singt in erster Linie über gesellschaftliche und politische Zustände. Was haltet ihr im Vergleich dazu von Bands, deren Texte eher persönlicher Natur sind?
Jeder hat nun mal seine eigenen Ansichten bzgl. verschiedener Themen und bzgl. der Geschehnisse, die sich auf der Welt täglich abspielen.
Musikalisch ist euer neues Album gewissermaßen zweigeteilt: Rohe Hardcore-Tracks wechseln sich mit beklemmenden, ruhigeren Nummern ab. Warum ist es euch wichtig, beide Extreme in eurer Musik aufzunehmen?
Du hast jetzt den Begriff „Extreme“ in den Raum geworfen. Extremität besteht für mich nie ausschließlich aus Wut oder Hardcore-Geballer usw… Man höre sich nur mal Filmmusik an, da sind die ruhigen Passagen meist genau die, die am meisten Angst und Spannung erzeugen.
Worin siehst du den Unterschied zwischen „Memories Of Better Days Are Gone“ und euren bisherigen Schaffen?
Eigentlich gleicht bei uns keine Platte der anderen; der einzige durchgehende rote Faden ist die allgegenwärtige Melancholie, die alle Aufnahmen innehaben.
Auf Bandcamp steht, dass ihr selbst gesagt habt, dass jeder von euch während des Entstehungsprozesses der Platte geschädigt wurde. Wie ist das zu verstehen?
Wir hatten leider immer größer werdende Probleme menschlicher Natur, während und auch nach den Aufnahmen, was letztendlich die Verabschiedung der anderen beiden Mitglieder zur Folge hatte. Das war für uns nicht einfach, aber uns war auch klar, dass es so nicht weiter gehen konnte, wenn die Band weiter leben soll. Glücklicherweise hatten wir jedoch sehr schnell Ersatz gefunden, eigentlich sogar noch bevor wir überhaupt richtig angefangen hatten, zu suchen. Da hatten wir wirklich großes Glück und wissen das auch sehr zu schätzen.
Welcher der neuen Songs ist dein persönlicher Favorit und warum?
„A Promise Empty“ wegen meiner Affinität zu Voivod, vor denen ich mich wirklich verneige!
„A Promise Empty“ und Nothing Will Remain“ habt ihr bereits vorab veröffentlicht. Warum gerade diese beiden Tracks?
Bei „Nothing Will Remain“ wurde ich von D.R.I. beeinflusst, den Helden meiner Jugend. „A Promise Empty“, siehe oben.
Seit kurzem habt ihr offiziell einen neuen Schlagzeuger, der allerdings bereits früher schon mal Teil der Band war. Wie kam es dazu?
Sänger und Drummer hatten die Flügel gestreckt und einer unserer alten Gitarristen von damals, kurz nach der Gründung der Band, spielt inzwischen zufällig auch Schlagzeug und der hatte auf unsere Anfrage hin prompt zugesagt. Es war der erste und einzige, den wir gefragt hatten – von daher also super gelaufen. Seither ist er wieder zurück in der Band und den Gesang teile ich mir momentan wieder mit unserem Gitarristen auf. Es läuft nach so vielen Jahren also wieder, wie früher.
Habt ihr schon Pläne, wie es als Nächstes mit [B.ABUSE] weitergehen soll?
Ich persönlich könnte mir vorstellen, dass es wieder mehr in Richtung Noise-Rock, gespickt mit etwas Punk (in all seinen Formen) und einem Schuss Wave dazu geht. Ganz grob geschätzt! Wir konnten noch nie wirklich planen, wo’s zukünftig lang geht, das wollten wir aber auch noch nie.
Machen wir mit einem kleinen Brainstorming weiter:
Angela Merkel: Es könnte uns schlimmer treffen. Politiker sind immer nur für den einen Teil der Bevölkerung die Richtigen. Für den anderen Teil die Falschen. Es kann niemals den Einen/die Eine geben. Man sollte sich selbst überlegen, wenn man Politiker wäre, wie viel Zuspruch einem entgegen käme oder auch nicht.
#metoo: Sexismus gehört ausgerottet!
Punk – Metal: Beides toll, obwohl ich persönlich da eher zu Punk tendiere.
Lieblingsalbum: Discharge – „Hear Nothing, See Nothing, Say Nothing“
Kapitalismus – Kommunismus: Kein Knecht unter mir, kein Herr über mir. Gilt für beides!
[B.ABUSE] in fünf Jahren: Wo ist die Welt in fünf Jahren?
Gut, dann nochmal vielen Dank für deine Antworten. An dieser Stelle kannst du noch ein paar letzte Worte an unsere Leser richten:
Anfang der Achtziger hatte ich in der Schule mal jemanden mit einer „gebatikten Punkhose“ gesehen. Ich wusste damals noch nichts von Punk oder Metal, aber das hat mich dermaßen angefixt, dass es mich bis heute nie wieder los gelassen hat. Also bleibt euch selbst treu und lasst euch nicht von Konventionen beirren.