Interview mit Giorgos Prokopiou, Laurence Bergström, Takis Foitos & Stavros Rigos von Poem

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Sich ohne bekannten Headliner auf eine internationale Tour zu begeben, ist oft ein riskantes Unterfangen – vor allem, wenn man in einem nicht gerade populären Genre wie Progressive Metal unterwegs ist. Dennoch wollten POEM aus Griechenland diesen Schritt wagen. Zusammen mit Damnations Day und White Walls haben sie sich auf eine Europatour gemacht, um ihr neues, hervorragendes Album „Unique“ live vorzustellen. Wir haben die vier Musiker zum Gespräch bei ihrem Konzert in München getroffen.

Wie war eure Tour bisher?
Stavros: Sehr schön. Das Gute ist, dass die anderen Bands tolle Leute sind. Damnations Day und White Walls sind sehr nett. Wir fühlen uns wie eine Familie im Tourbus und bisher ist alles gut gelaufen. Es gab ein paar Sachen, die schnell geklärt werden mussten, aber alles läuft sehr gut. Die Stimmung ist sehr gut.
George: Es ist unsere erste Europatour als Headliner zusammen mit Damnations Day, aber bisher hat alles gut geklappt.
Takis: Und den Leuten scheint es sehr zu gefallen…
Stavros: …sofern sie kommen. (alle lachen)

Ihr habt es gerade erwähnt: Es ist eure erste Headliner-Tour…
George: Wir waren davor schon auf zwei Europatouren. Die erste war mit Amorphis, Textures und Omnium Gatherum und die zweite letztes Jahr mit Persefone. Zwei fantastische Touren für uns. Sie haben uns die Chance gegeben Erfahrung zu sammeln und wir wollen unseren Namen in Europa größer machen, weil es in Griechenland ein wenig schwierig ist eine Band außerhalb der Landesgrenzen zu bringen. Amorphis und Persefone haben uns diese Möglichkeit gegeben. Wir hatten eine tolle Zeit.

Wie fühlt es sich im Vergleich zu euren Touren als Supportband eines Hauptacts an, wo ihr hauptsächlich vor Konzertgängern spielt, die eigentlich für den Headliner gekommen sind?
George: Es ist komplett anders.
Laurence: Jetzt gerade kommen die Leute für uns, die drei Bands. Natürlich ist es nicht die gleiche Anzahl an Besuchern wie auf der Amorphis-Tour. Aber es ist sehr schön, weil man weiß, dass diese Leute wegen dir da sind. Du bist kein Aufwärmprogramm mehr. Es ist eine Art Experiment, wir wollten das machen. Wir glauben es ist wichtig mindestens einmal pro Jahr auf Tour zu gehen. Also haben wir es dieses Mal selber versucht und uns mit Damnations Day und White Walls auf den Weg gemacht um zu schauen, was passieren wird.

Ihr habt ein neues Album namens „Unique“ veröffentlicht. Ist das Album textlich und musikalisch eine Weiterführung eurer Vorgängeralben?
George: Wir haben eine Person, Stavros hier, der die Texte verfasst.
Stavros: Bei jedem Album, abgesehen vom ersten, haben wir versucht ein allgemeines Konzept zu finden, kein spezifisches. Wir haben das bei „Skein Syndrome“ so gemacht und wir haben das bei „Unique“ versucht. Es beschreibt die Realität metaphorisch durch eine geisteskranke Person. Alle Songs erzählen über diesen Geisteskranken und seine Gefühle, was er sieht. Wir haben versucht in seinen Geist einzudringen und die Dinge aus seiner Perspektive zu sehen. Metaphorisch gesehen ist es also etwas, dem jeder Mensch in seinem Leben mal begegnet. Deswegen haben wir es „Unique“ genannt. Weil jeder versucht einzigartig zu sein. Aber niemand ist einzigartig. Wir tragen alle die selben Klamotten, haben ähnliche Jobs, wir mögen alle die gleiche Art der Unterhaltung. Aber niemand ist einzigartig. Einzigartig ist das, was in den Menschen drin ist, nicht außerhalb von ihnen. Darüber haben wir versucht auf dem Album zu sprechen
George: Ich denke das Album vereint viele Arten von Einzigartigkeit. Nim zum Beispiel Rassismus. Wir sehen einen Schwarzen und sagen er ist ein Schwarzer. Nein! Er ist einzigartig. Abgesehen von uns allen, wir sind weiß und er schwarz, aber er ist einzigartig. Oder wir betrachten Mobbing in den Schulen. Vielleicht ist dieses gemobbte Kind einzigartig. Das Einzigartige ist nicht nur der Geisteskranke. Es ist eine Metapher für alles.
Stavros: Unser Geisteskranke kann jeder sein. Jemand der verrückt ist, jemand der allein ist, jemand der traurig ist, jemand der schwarz ist, wie George gesagt hat.
George: Ja. Er ist einzigartig. Sie sind toll und wir sind toll. Wir können alle in einem Punkt einzigartig sein.

Zwischen eurem Debüt und eurem zweiten Album sind sieben Jahre vergangen. Zwischen “Skein Syndrome” und “Unique” sind nur zwei Jahre vergangen. Was war der Grund für diese sehr unterschiedlichen Zeitspannen?
George: Ja, der schwierige Teil (lacht). 2009 haben wir unser erstes Album „The Great Secret Show“ aufgenommen, aber wir hatten viele Besetzungswechsel. Die Mitglieder hatten ihre eigenen Gründe. Sie sind aus Kostengründen gegangen oder hatten ihre Familien. Aber wir wollten mit der Band weitermachen. Also haben wir nach sieben Jahren „Skein Syndrome“ aufgenommen. Es gab nicht wirklich andere blöde Situationen, die mit den Besetzungswechseln war die einzige. Das war der schlimmste Teil und der Grund, warum wir so lange für das zweite Album gebraucht haben. Deshalb glaube ich, das jetzt ist die…
Takis: …die beste Besetzung.
Stavros: Es ist das erste, was er in diesem Interview sagt. (immitiert Takis‘ Stimme) „Die beste Besetzung“. (alle lachen)
George: Er ist kürzlich der Band beigetreten. Deshalb ist es jetzt die beste Besetzung, ja.

Das Album-Cover zeigt eine Person, die in einer verzweifelten Haltung auf einem Stuhl in einem Raum sitzt, der eine offenene Wand hat und in den das Meer hineinströmt. Warum habt ihr dieses Motiv ausgewählt und was bedeutet das Bild für euch persönlich?
Laurence: Es geht um das Album. Diese Person ist die Metapher, von der wir gesprochen haben. Er verkörpert diese Idee von „Unique“. Er fühlt sich einzigartig. Er ist in einem Raum, aber vor ihm ist dieser offen und man kann sehen, dass das Meer das Chaos ist. Es ist alles, was auf dich zukommt. Die Wellen stürzen auf dich ein. Du kannst nicht reagieren. Du weißt nicht, was du tun sollst und musst einfach dasitzen. Und dann sind da noch diese Wände. Es passiert sehr viel auf diesem Album-Cover.
George: Wir haben versucht die Schizophrenie zu übersetzen. Es gibt drei Symptome. Eines sind die Stimmen, die man die ganze Zeit hört. Das zweite ist, was du siehst und das dritte sind deine Gedanken. Da sind Texte an der Wand, das sind seine Gedanken und seine Halluzinationen sind vor ihm. Weil er in seinem Zimmer ist, aber er kann das Meer auf sich zukommen sehen.

Sind die Wörter an den Wänden tatsächlich die Songtexte?
Stavros: Nein, nur Teile von ihnen.
George: Es sind seine Gedanken. Wirre Wörter. Vielleicht sagen sie so etwas wie „töte ihn“ oder „einzigartig“.

Die Produktion hat wesentlich mehr Druck, aber ist insgesamt trockener und weniger warm als bei „Skein Syndrome“, besonders das Schlagzeug. Warum habt ihr euch dafür entschieden den Hall rauszunehmen und einen direkteren Sound anzustreben?
Stavros: Ich denke es hat uns einfach dort hingeführt. Meiner Meinung nach sind die Songs kraftvoller. „Skein Syndrome“ war ein bisschen düsterer. Aber dieses hier hat mehr Kraft gebraucht.
Takis: Es gibt mehr groovige Riffs.

Gibt es irgendetwas auf dem Album, mit dem ihr nicht 100 % zufrieden seid oder bei dem ihr denkt „verdammt, jetzt im Nachhinein hätte ich das anders gemacht!“?
Takis: Tatsächlich hatten wir nicht genug Zeit, um die 100% zu erreichen, die wir wollten. Aber in der Zeit, die wir hatten, haben wir, denke ich, das beste herausgeholt, was wir konnten. Aber klar, wenn wir mehr Zeit gehabt hätten, hätten wir ein paar Sachen geändert. Aber nicht viel. Nur ein paar kleine Details.
Laurence: Weniger Dinge geändert, sondern eher welche hinzugefügt. Ich glaube das passiert jedes Mal. Bei „Skein Syndrome“ war es das gleiche.
Stavros: Nach jedem Album, das ein Künstler erschafft, hört er es sich an und sagt „Aaah, ich hätte das besser machen können.“. Aber es ist Erfahrung und es ist etwas das die ganze Zeit passiert.

Es ist eure zweite Veröffentlichung über ViciSolum Productions. Seid ihr immer noch zufrieden mit der Arbeit des Labels und würdet ihr es in Erwägung ziehen, auch euer nächstes Album dort zu veröffentlichen?
George: Natürlich, ViciSolum haben großartige Arbeit für uns geleistet. Die Sache ist die, dass du als Band immer nach dem Besten suchst. Jetzt gerade sind ViciSolum das Beste für uns. Aber wir wissen nie. In den nächsten zwei oder drei Jahren…
Stavros: …entwickeln wir uns vielleicht weiter. Es hat mit unserem Fortschritt zu tun.
George: Ja. Wir können nicht sagen, dass das das beste ist, das wir jemals haben werden. Aber bis jetzt funktioniert es für uns.
Stavros: Sie arbeiten sehr hart für uns. Sehr nette Leute.
George: Sie haben sehr gute Arbeit für uns geleistet. Das ist auch der Grund, warum wir jetzt hier sind. ViciSolum waren das erste Label, das uns aus Griechenland rausgebracht hat. Wir wissen es sehr zu schätzen, was sie für uns geleistet haben.

Was sind eure Zukunftspläne? Habt ihr schon ein Konzept oder Ideen fürs nächste Album?
Laurence: Wenn wir von der Tour zurückkommen, werden wir bereits an neuen Sachen arbeiten, damit wir nicht in die gleiche Falle tappen wie bei „Unique“, wo alles sehr schnell gehen musste. Das werden wir also tun. Aber jetzt im Moment haben wir uns alle darauf geeinigt, dass wir das Album so viel bewerben und live spielen, wie wir können, weil es neu ist. Es ist unser neues Kind. Wir müssen das für mindestens zwei Jahre machen. Das ist, worauf wir uns momentan fokussieren. Und wir haben sehr viele Ideen für die Vorbereitung der Live-Shows. Wir experimentieren noch. Die Shows auf dieser Tour sind die ersten, bei denen wir dieses Album live spielen. Es wird schön werden, optisch und musikalisch.

Ich würde das Interview gerne mit unserem klassischen Metal1.info-Brainstorming beenden. Ich werde ein paar Begriffe nennen und ihr sagt mir einfach das erste, was euch dazu einfällt.
Athen: Stavros: Zuhause. Für mich wird es immer mein Zuhause sein.
George: Ja, definitiv.
Takis: Chaos. (lacht)
Laurence: Belebt. Voller Leben. Auch multikulturell.
George: Okay: Sex! Muschis! Nachtleben! Smells like teen spirit! Kein Geld! Bitte leiht uns Geld! (alle lachen)
Euthanasia: Stavros: Erlösung.
George: Für mich ist es auch Erlösung.
Takis: Fünfter Song [Anm. d. Red.: „Euthanasia“ ist der Titel des fünften Songs auf „Unique“]. (alle lachen)
George: Wenn du Euthanasie sagst, denke ich an Tiere und das ist sehr traurig. Aber für sie ist es auch Erlösung. Wenn sie krank sind.
Flüchtlingskrise: George: Sehr schwieriges Thema.
Stavros: Es ist schwierig für beide Seiten. Für uns und für die Flüchtlinge. Es ist ein Regierungsproblem. Regierungsarschlöcher.
Laurence: In einem Wort: Geld. Darum geht es bei all dem. Und um Waffen.
Stavros: Politische Spiele die uns gegeneinander aufbringen sollen.
George: Sie versuchen das Leben wertlos zu machen. Es interessiert sie nicht. Scheiß auf die! Aber nicht auf die Flüchtlinge! Ich meine auf die Regierung! (alle lachen)
Lieblingsalbum: Takis: In jedem Lebensabschnitt, etwa alle fünf Jahre, ändert sich das bei mir. Ich würde sagen „Far Beyond Driven“ von Pantera war das einflussreichste, das ich gehört habe, als ich noch jung war. Und Death – Symbolic. Diese zwei Alben.
Stavros: Pink Floyd – The Dark Side Of The Moon, Metallica…And Justice For All und Led Zeppelin – III
George: „Ænima“ von Tool und vielleicht Pearl Jam – Ten als ich jung war. Und Jeff Buckley – Grace.
Laurence: Ich würde auch „The Dark Side Of The Moon“ sagen, aber ich sage „Animals“, damit wir zwei unterschiedliche Alben von Pink Floyd haben.
Psychologie: Stavros: “Unique”, das Album.
Takis: Auf und ab.
George: Kaputte Dinge.
Laurence: Ängstlichkeit. Die Krankheit von heute.

Publiziert am von Simon Bodesheim

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