Black Metal hat viele Facetten – er kann wütend, bösartig, melancholisch, hoffnungsvoll, hymnisch, ätherisch oder abgrundtief verzweifelt sein. Bei INFAUST ist er vor allem letzteres. Nachdem es um die Band neun Jahre lang still gewesen war, haben sich die deutschen Schwarzmetaller kürzlich mit ihrer zutiefst verstörenden dritten Platte „Verblichen“ zurückgemeldet. Im Interview mit Drummer Sadistic M. und Bassist Iskaremus erfahrt ihr nun, warum man so lange darauf warten musste, weshalb der Bass auf dem Album so stark präsent ist und was es mit dem „Rumpelfaktor“ ihrer Musik auf sich hat.
INFAUST bezeichnet in der Medizin eine ungünstige Prognose. Warum war dieser Begriff der perfekte Name für eure Band?
Sadistic M.: Mitbegründer A. hatte damals von seinem behandelnden Arzt die Antwort Infaust erhalten. Somit war der Bandname perfekt.
Ihr spielt äußerst depressiven Black Metal ohne allzu große Experimente. Welche Bands haben euch diesbezüglich denn so geprägt?
Sadistic M.: Für mich waren Bands wie Darkthrone, Satyricon und Arckanum, um nur einige zu nennen, in ihrer Black-Metal-Formation prägend. Dem Black Metal sind wir seit den frühen 90ern verfallen. Was den depressiven Teil betrifft, tendiere ich durchaus zu den Werken von Shining, Type O Negative, Katatonia…
Worauf liegt bei euch das Hauptaugenmerk beim Songwriting?
Sadistic M.: Es entsteht zuerst das Instrumental, wobei im Nachtrag die Lyrik passend zugeordnet wird und sich damit in absoluter Korrespondenz entfaltet.
Seid ihr der Ansicht, dass sich moderne Black-Metal-Bands zu weit von dem Kern des Genres entfernt haben?
Sadistic M.: Ich denke, darüber sollte sich jede Band im Klaren sein, ob sie nun den Ursprung konsequent verfolgen oder sich weiterentwickeln, inwieweit sie sich entfernen und experimentieren. Diese Entscheidung sollte man niemandem abnehmen.
Wo seht ihr eure persönlichen Stärken und Schwächen als Musiker?
Sadistic M.: Man lernt nie aus…, zeitweise übertrieben emotional…
Iskaremus: Ich denke, die musikalischen Stärken oder Schwächen sind in der Band gut verteilt. Wir ergänzen uns einfach gut. Im Laufe der Jahre konnte jeder seinen Platz im musikalischen Gefüge finden und hat Mitspracherecht bei allen Belangen, was Riffs, Arrangements usw. angeht. Wir arbeiten als Kollektiv gut zusammen und vertrauen uns auch gegenseitig bei musikalischen Visionen… Einmal hat man eben eine unterstützende Rolle, ein andermal die Federführung… und das ist okay. Somit drückt sich dies in den Texten als auch der Musik aus. Jeder in der Band trägt zum Gesamtsound etwas bei, was sich meiner Meinung nach in abwechslungsreicheren Songs wiederspiegelt.
Nach neun Jahren habt ihr mit „Verblichen“ nun endlich wieder ein neues Album veröffentlicht. Eure zweite Platte erschien recht bald nach dem Debüt. Warum habt ihr euch diesmal mehr Zeit gelassen?
Sadistic M.: In erster Hinsicht persönlichen Umständen verschuldet, als ich ausgestiegen bin. Zwischenzeitlich half ein guter Freund aus, der aber den Betrieb nicht aufrechterhalten konnte, sodass eine gemeinsame Zusammenkunft erst Ende 2016 wieder möglich war.
Inwiefern, denkt ihr, habt ihr euch in der Zwischenzeit als Musiker weiterentwickelt?
Sadistic M.: Auf jeden Fall erfahrener, zielstrebiger, sich weiter zu entwickeln und immer zu reflektieren ohne Stilbruch. Als Musiker gibt es keine Amputation.
Auf dem Opener „Tobsucht“ hört man zu Beginn etwas, das wie ein Saxophon klingt. Was hat es denn damit auf sich?
Sadistic M.: Die Idee kam von Mortifer, welche sich als sehr passend herausstellen sollte. Eine gute Freundin spielt Saxophon und somit wurde es zusammen kreiert.
Gibt es einen Track auf eurem Album, der euch besonders viel bedeutet? Welcher und warum?
Sadistic M.: „Angsttraum“, für mich sehr expressiv. Beschreibt eine alleingelassene und entartete Seele.
Textauszug: „…umgeben von Totenhänden, gestörtes Seelenleben.“
Ich finde die Songs recht gleichförmig, aber dafür auch sehr konsistent und durchgehend bedrückend. War es auch eure Intension, dass „Verblichen“ am besten als ganzes Album funktioniert oder können die Tracks eurer Meinung nach auch einzeln für sich stehen?
Sadistic M.: Sowohl als auch, es ist erstrebenswert, für „Verblichen“ in einer kontinuierlichen Fassungslosigkeit zu verharren. In Form von abwechselnder Wut und Trauer.
Wie die Musik selbst sind auch die Texte auf „Verblichen“ äußerst deprimierend. Gibt es da einen bestimmten roten Faden zwischen den Songs oder stehen die Nummern eher für sich?
Sadistic M.: Die Texte haben einen hohen Stellenwert bei INFAUST, sollen durchaus den Zuhörer in eine anhaltende unfassbare und beschwerliche Hoffnungslosigkeit ziehen, zum Nachdenken bewegen, in Gedanken versinken und auch seine ganz eigene Interpretation gestalten lassen.
Die Produktion klingt zwar größtenteils genretypisch rau, aber der Bass ist ungewöhnlich stark präsent. Was ist der Grund dafür?
Iskaremus: Der Bass hat bei INFAUST die Position als vollwertiges Instrument zur Komposition eines Liedes beizutragen. Dies kann unabhängig vom genretypischen Halten und Begleiten des Grundtons, über harmonische Unterstützung (Intervalle) als auch dem Führen von Ostinato-Motiven (,,Geistesgaben“) oder anderen Spieltechniken passieren. Je nach Notwendigkeit umfasst es doch meist mehr als das. Warum sollte der Bass auch limitiert werden, um gegen eine Wand aus Gitarren ankämpfen zu müssen, wenn er gerade im Black Metal einen großen Frequenzraum beanspruchen kann (und auch meiner Meinung nach sollte)? Bei wie vielen (BM-)Bands ,,verkommt“ der Bass als Notwendigkeit und nimmt entsprechend im Mix auch diese Stellung ein. Und auf wie vielen (BM-)Metal-Alben kann man den Bass tatsächlich auch gut hören (und nicht nur wahrnehmen)!? Sicherlich ist es Geschmackssache und für viele, wie es deine Feststellung war, ungewohnt. Ich denke, es sollte eigentlich wenig dagegen sprechen, den Bass im Mix angepasst besser zu hören, wenn die restliche Instrumentierung immer noch organisch und jederzeit deutlich im Klang differenziert ist.
Ich habe den Eindruck, dass ihr nicht allzu penibel darauf achtet, dass ihr alles perfekt einspielt. Wie steht ihr dazu? Kann ein Album eurer Meinung nach auch herausragend sein, wenn man spielerische Fehler heraushört?
Iskaremus: Ja! Denn gerade dann macht es ja den Charme aus, etwas Organisches zu schaffen! Wie viele Black-Metal-Scheiben (jetzt mal rein musikalisch betrachtet) sind wirklich handwerklich zweifelsfrei eingespielt (selbst unter den Genreklassikern)?
Aber doch genau das macht ja den Reiz des Black Metal aus. Das Ungestüme und Wilde… INFAUST werden immer einen gewissen ,,Rumpelfaktor“ haben. Und das ist auch gut so.
Was sind die nächsten Pläne für INFAUST? Wird das nächste Album wieder länger auf sich warten lassen?
Sadistic M.: Perspektivisch wieder vermehrt Live-Auftritte zu absolvieren. Wir hoffen, dass das nächste Album nicht so lange auf sich warten lässt.
Beenden wir das Interview mit unserem traditionellen Metal1.info-Brainstorming:
Bethlehem: „S.U.I.Z.I.D.“
Klargesang: High-Pitched Screams
Farbe: Schwarz
Politik: Hoffnungslos
Bestes Album 2017: Black Sabbath – „The End (Live in Birmingham)“
INFAUST in 5 Jahren: Existent
Dann nochmal danke sehr für eure Antworten. Die letzten Worte seien euch überlassen:
„Ich bin der Herr meines Schicksals. Ich bin der Kapitän meiner Seele.“ (Timothy James McVeigh)