Konzertbericht: Five Finger Death Punch w/ In Flames, Of Mice & Men

29.11.2017 München, Olympiahalle

Wenn FIVE FINGER DEATH PUNCH zuletzt in den Medien waren, gab es selten Positives zu vermelden: Das Alkoholproblem von Fronter Ivan Moody, Konzertabbrüche und Streitereien mit dem Label standen im Vordergrund – um die Musik ging es selten. Vielleicht nicht grundlos, war „Got Your Six“, das letzte Album der Amerikaner, doch auch weit unter dem Niveau seiner Vorgänger.

All dies scheint FIVE FINGER DEATH PUNCH jedoch nicht aufzuhalten: Gemeinsam mit IN FLAMES, die ebenfalls eine Phase stilistischen und personellen Umbruchs durchmachen, wagen sie sich erstmals an die größten Hallen Deutschlands.

Der Blick ins weite Rund der Münchner Olympiahalle gibt den Bookern recht: Als OF MICE & MEN um Punkt 19:00 Uhr in ihr Set starten, ist zumindest die Arena schon mehr als gut gefüllt. Wer seinen Sitzplatz erst später einnimmt, um die Hauptbands zu genießen, verpasst bei OF MICE & MEN bereits zu dieser frühen Uhrzeit eine mehr als amtliche Show: Mit überraschend fettem Sound für die erste Vorband machen die Kalifornier ordentlich Wirbel: So erinnert der Sound der Truppe mitunter an die neun Maskenmänner von Slipknot – und das von einem Quartett. Das Publikum quittiert den souveränen Auftritt mit ersten, zaghaften Moshpit-Versuchen – vor allem aber (für eine Vorband) verhältnismäßig viel Applaus.

In ganz anderen Dimensionen ist freilich der Jubel zu verorten, der aufbrandet, als IN FLAMES um kurz nach 20:00 Uhr ihre Show beginnen. „Show“ ist zunächst jedoch nicht wörtlich zu verstehen – zu sehen gibt es nämlich erstmal nichts. So fällt der halbtransparente Bühnenvorhang nicht etwa vor oder effektvoll während des Openers „Drained“, sondern gibt den Blick auf die Band erst nach dem letzten Takt des Songs frei. Was auf diese sonderbare Inszenierung folgt, ist dafür umso beeindruckender – sei es das Bühnenbild, das Drummer Joe Rickard und den Live-Keyboarder auf zwei Podesten weit über die Köpfe der restlichen Band erhebt, die Light-Show (inklusive divernsen Leinwand-Elementen) oder der kristallklare Sound.

Die eigentliche Überraschung des Abends ist allerdings die Show selbst: Mit einem unerwartet harten Set machen IN FLAMES fast alles vergessen, was ihnen die langjährigen Fans zuletzt übelgenommen hatten: Die musikalische Entwicklung, die im extrem poppigen „Battles“ gipfelte. Die absurde „An Evening With IN FLAMES“-Tour. Und irgendwie sogar die Tatsache, dass sich nach dem Ausstieg von Daniel Svensson (2015) und zuletzt noch Peter Iwers (2017) auch das Lineup maßgeblich gewandelt hat.

Zwar verstecken IN FLAMES doch immerhin sechs Songs ihres aktuellen Machwerks im Set – zwischen unzähligen Hits aller Schaffensphasen fallen diese jedoch erfreulich wenig ins Gewicht. Um kurz vor 21:00 Uhr soll dann Schluss sein – denkt sich zumindest der Tontechniker und dreht der Band kurzerhand mitten in „Deliver Us“ den Saft ab: Zunächst rocken die Musiker noch nach bestem Wissen und Gewissen weiter, ehe sie die Bühne verlassen. Nach kurzer Verwirrung, ob das nun das Ende der Show bedeutet, geht es doch nochmal weiter – satte 20 Minuten lang, ehe nach „The End“ dann wirklich Schluss ist.

Mit insgesamt 75 Minuten ist der Auftritt der Schweden nicht nur von der Spielzeit her quasi ein Headliner-Auftritt: Auch die Darbietung und die Publikumsreaktionen lassen nicht automatisch darauf schließen, dass der eigentliche Höhepunkt des Abends erst noch folgen soll.

    1. Drained
    2. Before I Fall
    3. Everything’s Gone
    4. Take This Life
    5. Trigger
    6. Only for the Weak
    7. Dead Alone
    8. Darker Times
    9. Drifter
    10. Moonshield
    11. The Jester’s Dance
    12. Save Me
    13. Alias
    14. Here Until Forever
    15. The Truth
    16. Deliver Us (abgebrochen)
    17. The Mirror’s Truth
    18. The Quiet Place
    19. The End

Tatsächlich lassen sich FIVE FINGER DEATH PUNCH von diesem starken Auftreten nicht ernstlich verunsichern: Um 21:45 Uhr fällt der Vorhang und die Truppe legt vor eindrucksvollem Bühnebild aus einem großen Schädel mit gekreuzten Baseballschlägern los – und zwar mit Vollgas: Druckvoll pumpen die fetten Riffs der Amis aus den Boxen, dazu präsentiert sich Fronter Ivan Moody zwar in modisch betrachtet fragwürdigem Aufzug, ansonsten jedoch in Bestform: Souverän führt er durch die Show, die er mit seiner kraftvollen und zugleich glasklaren Stimme auch gesanglich absolut beeindruckend bestreitet.

Ganz anders als bei manch skandalöser Show in jüngerer Vergangenheit wirkt Moody selbst völlig begeistert von der Atmosphäre – und gibt den Fans genau diese Begeisterung auch zurück: Mal holt er für einen Song ein paar Fans auf die Bühne, mal läuft er selbst durch die Halle zur Tribüne, um einen Baseballschläger zu verschenken – und für den Akustikteil der Show, bestehend aus den beiden Balladen „Wrong Side Of Heaven“ und „Remember Everything“ nimmt Moody ein kleines Mädchen (samt Kuscheltier) mit zu sich auf die Bühne.

Generell bleibt das Phänomen FIVE FINGER DEATH PUNCH, objektiv betrachtet, skurril: Fünf Metal-Prolls machen für ein Publikum, das ebenfalls größtenteils aus verdammt harten Kerlen besteht, sentimental-sanften Metal: Moody schickt seinem Publikum via Handzeichen Herzchen durch die testosterongeschwängerte Luft, diese schwenken im Gegenzug zu romantischen Balladen brav die Feuerzeuge und singen mit der Hand auf dem Herzen voll Innbrunst Weltschmerz-Lyrik mit. Die Absurdität des Ganzen wird durch Moodys Kleiderwahl versinnbildlicht: Ausgerechnet für den Balladen-Part holt dieser sein Deutschland-Trikot aus dem Schrank – und würde in jedem anderen Kontext denn auf der Bühne der Olympiahalle spätenstens jetzt eher als Hool denn als feinfühliger Texter und versierter Sänger durchgehen.

Aber auch, wenn es bisweilen wirkt, als hätte man es mit einer kollektiv im falschen Körper geborenen Boygroup zu tun, machen FIVE FINGER DEATH PUNCH ihre Sache heute wirklich gut: Die Show ist packend, der Sound kraftvoll und die Laune auf wie vor der Bühne bestens – entsprechend lange werden die Totschläger noch von ihren Fans gefeiert, als nach überraschend kurzweiligen 90 Minuten um 23:15 Uhr nach „The Bleeding“ Schluss ist und als Outro „The House Of The Rising Sun“ erklingt.

  1. Lift Me Up
  2. Never Enough
  3. Wash It All Away
  4. Got Your Six
  5. Ain’t My Last Dance
  6. Bad Company (Bad-Company-Cover)
  7. Hard To See
  8. Burn MF
  9. The Agony Of Regret
  10. Wrong Side Of Heaven (Akustikversion)
  11. Remember Everything (Akustikversion)
  12. Coming Down
  13. Jekyll And Hyde
  14. Under And Over It
  15. The Bleeding

Nach einer starken Eröffnung durch die aufstrebenden OF MICE AND MEN strafen sowohl IN FLAMES als auch FIVE FINGER DEATH PUNCH ihre Kritiker, die sie jeweils schon auf dem absteigenden Ast gesehen haben, Lügen: Beide Bands wissen heute mit souveränen, mitreißenden Shows zu begeistern und liefern den Fans in der überraschend gut gefüllten Olympiahalle München ein Konzerterlebnis, das als solider Gegenwert für den nicht eben niedrigen Ticketpreis durchgeht.

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