Review Cradle Of Filth – Cryptoriana – The Seductiveness Of Decay

Schon seit Anfang der 90er Jahre suchen die Briten CRADLE OF FILTH die internationale Metal-Szene mit ihrem extravaganten Extreme Metal heim. Trotz ihres konstant soliden Outputs gilt es in weiten Teilen der Hörerschaft jedoch als Faktum, dass Chef-Exzentriker Dany Filth und seine ständig wechselnden Mitstreiter die herrlich morbide und zugleich verführerische Gothic-Atmosphäre ihrer frühen Werke in den letzten Jahren nicht mehr so überzeugend reproduzieren konnten. Das zwar ebenfalls nicht allzu düstere, dafür aber energetische und oftmals hymnenhafte „Hammer Of The Witches“ kam für viele dann einem lang ersehnten Befreiungsschlag gleich. Wie üblich legen CRADLE OF FILTH nun zwei Jahre später nach und gehen mit „Cryptoriana – The Seductiveness Of Decay“ einen Schritt weiter bzw. zurück.

Die Entwicklung, die sich auf dem mittlerweile zwölften Studioalbum des Sextetts abzeichnet, ist nämlich eigentlich eine teilweise Rückkehr zu alten Tugenden, die zwar ein paar dezente Neuerungen beinhaltet, aber auch ein wenig altbacken daherkommt. Visuell und lyrisch haben sich CRADLE OF FILTH diesmal von der düsteren Ästhetik der viktorianischen Kunstepoche inspirieren lassen, wie man unschwer an dem schaurigen Artwork, einer Anspielung auf Botticellis „Die Geburt der Venus“, erkennen kann. Musikalisch baut „Cryptoriana“ auf dem Stil des Vorgängers auf (ein Umstand, der sicherlich der ausnahmsweise gleich gebliebenen Besetzung zu verdanken ist), dennoch klingen CRADLE OF FILTH mittlerweile wieder deutlich finsterer und härter. Selbst das Intro „Exquisite Torments Await“ lässt nach einem kurzen, albtraumhaften Symphonic-Auftakt bereits bösartige Screams, höllische Gitarren und sogar Blast-Beats auf den Hörer los.

Darauf folgen wieder merklich längere, meist über sieben Minuten lange Düstermetall-Oden, die es durchaus in sich haben. „Heartbreak And Seance“ mag abgesehen von seinen bittersüßen Gitarrenleads noch etwas halbgar wirken, doch spätestens ab „Achingly Beautiful“, das mit seinen unheimlichen Riffs und Orgeln eine willkommene Reminiszenz an „Godspeed On The Devil’s Thunder“ darstellt, gewinnt die Platte einiges an Fahrt. Danys diabolischer, vielseitiger Schreigesang erreicht etwa im intensiven Finale von „You Will Know The Lion By His Claw“ einen extremen Höhepunkt, wie man ihn seit fast zwei Jahrzehnten nicht mehr vernommen hat.

Die mal angeschwärzten, dann wiederum thrashigen oder in feinster Heavy-Metal-Manier zweistimmig gespielten Gitarren sowie das brachiale Drumming und die düstere, bombastische, aber nie zu dick aufgetragene Orchestrierung entsprechen weitgehend dem Schema, das CRADLE OF FILTH inzwischen für sich etabliert haben. Allzu viel Neues gibt es hier leider nicht zu entdecken und hin und wieder übertreibt man es an der Saitenfraktion mit den Soli. Spannender sind dagegen die stimmungsvollen Clean-Gitarren in „Vengeful Spirit“, das außerdem einen eleganten, wenn auch etwas überflüssig erscheinenden Gastauftritt von Liv Kristine enthält, sowie der verstärkte Einsatz epischer Chorarrangements und die vereinzelten orientalischen Einflüsse.

Dass CRADLE OF FILTH mit „Cryptoriana“ das kompositorisch ausschweifendste, brachialste und schwärzeste Album seit „Godspeed…“ veröffentlicht haben, ist an sich eine feine Sache. Dennoch hinterlässt es einen leicht bitteren Nachgeschmack, da einige der allzu abgedrehten Soli der Stimmung eher ab- denn zuträglich sind und sich auch die eine oder andere langatmige Passage eingeschlichen hat. Im Vergleich zu seinem denkwürdigen Vorgänger ist „Cryptoriana“ somit eine kleine Enttäuschung. Obwohl nicht alle Songs auf voller Länge für Begeisterung sorgen und die Platte in der Diskographie der Briten auf Dauer wohl kaum hervorstechen wird, lässt sich jedoch nicht abstreiten, dass CRADLE OF FILTH damit ein weiteres exquisites, düsterromantisches Kunstwerk kreiert haben, das aber eben noch etwas mehr Potential gehabt hätte.

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Wertung: 7.5 / 10

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