Das waren sicherlich zwei harte Jahre für die deutsche Nachwuchshoffnung ALPHA TIGER. Gleich nachdem das von der Kritik hochgelobte Album “iDentity” im Kasten war, verließ Sänger Stephan Dietrich die Band. Mit zahlreichen gebuchten Shows und anderen Verpflichtungen im Nacken begaben sich die sächsischen Old-School-Metaller auf die Suche nach Ersatz – und fanden ihn in Benjamin Jaino. Nach über 50 Shows mit ihm ging es erneut ins Studio, um den eponym betitelten Nachfolger aufzunehmen. Aber funktioniert die Band mit dem neuen Sänger noch?
Tatsächlich nutzen ALPHA TIGER die Gunst der Stunde, um ihren Sound noch ein Stück weiterzuentwickeln. Auf „Alpha Tiger“ zeigen sie sich ein Stück gereifter und gesetzter, aber auch emotionaler als früher. Gerade zu letzterem trägt der neue Sänger maßgeblich bei. Stephan, sein Vorgänger, war bekannt für seinen hohen, an den US-Metal erinnernden Gesang und sein Vibrato. Benjamin singt zwar ebenfalls hoch und energisch, legt aber viel mehr Gefühl in seinen Gesang. So erhalten gerade die emotionaleren Lieder auf „Alpha Tiger“ eine ganz neue Qualität, wie „Feather in The Wind“, „My Dear Old Friend“ oder das nachdenkliche „The Last Encore“. Damit verleiht er den zehn Songs des Albums eine ganz neue Qualität. Unterstützt wird diese Wirkung noch durch den sparsamen und gezielten Einsatz einer Hammond-Orgel (wie bei „Aurora“).
Glücklicherweise zeigt auch der Rest der Band keine Schwächen. ALPHA TIGERs große Stärke liegt natürlich weiterhin in der Gitarrenarbeit von Alexander Backasch und Peter Langforth. Obwohl sich beide allzu abgedrehter Frickeleien enthalten, ist ihre musikalische Qualität doch das gesamte Album über unverkennbar. Ein ähnliches Lob gebührt der Produktion, die sich auf genauso hohem Niveau bewegt. Die Gitarren haben ordentlich Druck und der Sound klingt so homogen, dass man fast geneigt ist, die in diesem Genre obligatorische Beteuerung zu glauben, die Songs seien im Großen und Ganzen live eingespielt worden.
Es ist erfreulich zu sehen, wie ALPHA TIGER aus einer Krise Fortschritt gemacht haben. Die Band scheint im Jahr 2017 trotz aller Rückschläge stärker denn je: Die Songs klingen ausgereifter und haben an Facetten gewonnen, ohne ihre alten Stärken aufzugeben. Lieder wie „Comatose“, „My Dear Old Friend“ oder auch „If The Sun Refused To Shine“ gehen sofort ins Ohr und begeistern beim ersten wie beim zehnten Hören gleichermaßen. Wer auch nur annähernd an Metal der alten Schule interessiert ist, kann und sollte hier bedenkenlos zuschlagen.
Wertung: 8.5 / 10