Interview mit Tommy Victor von Prong

Der spontane Ausfall eines Musikers bedeutet immer Stress – doch während andere die Tour vielleicht abgesagt hätten, lässt Tommy Victor von PRONG nicht einmal einen Interviewtermin platzen. Dass der Auftritt später auch mit sechs Ersatzbassisten wie geschmiert läuft, muss hier eigentlich nicht extra erwähnt werden. Im Interview erklärt Tommy Victor, wie diese außergewöhnliche Show zustande kam, was sich hinter „Zero Days“ verbirgt und was in seiner Karriere alles schief gelaufen ist.

Ihr seid jetzt schon einige Zeit auf Tour – wie läuft es bisher?
Es lief großartig. Aber dann musste unser Bassist Mike [Longworth, A. d. Red.] heim!

Ich hatte davon gehört – was ist passiert und wie löst ihr dieses Problem jetzt?
Heute Abend spielen die Musiker von Spoiled Engine bei uns Bass. Und mein Bass- und Gitarren-Techniker. Das war die einzige Möglichkeit. Mikes Mutter ist todkrank, deswegen musste er direkt weg. Also habe ich dem Bass-Tech fünf Songs beigebracht, und die Spoiled-Engine-Musiker haben den Rest gelernt. So wird das heute laufen. Ich hoffe, die Fans rasten nicht aus. Für den Rest der Tour wird Jason [Christopher, A. d. Red.] zurückkommen, der bei uns die letzten vier Jahre Bass gespielt hat.

Habt ihr das zusammen geprobt?
Ja, heute Nachmittag. Aber da sind wir nur einmal schnell das Set durchgegangen.

Na dann viel Glück!
Ja … werden wir brauchen! (lacht)

Ihr hattet davor drei Tage frei – wie habt ihr die Zeit genutzt?
Wir waren nur unterwegs – mit dem Drama um Mikes Mutter hat sich das alles in die Länge gezogen. Eigentlich wollte ich ein bisschen ausspannen, aber wir waren nur unterwegs, nur im Van. Wir hatten für nichts anderes Zeit. Ich habe mich vielleicht fünf Stunden im Hotelzimmer ausgeruht, das war die einzige freie Zeit, die ich hatte.

Magst du es trotz all dem Stress noch, auf Tour zu sein?
Das hängt ganz vom Tag ab. Manche Tage sind einfach scheiße. Ich will nichts sagen, das zu positiv klingt. Weil immer wenn ich etwas sage, erweist es sich als falsch. (lacht) Ich gehe einfach durch den Tag und versuche, keine Schwierigkeiten zu bekommen. Früher, als ich jünger war, war mir das alles egal. Wenn du älter wirst, hast du mehr Ängste. (lacht)

Feiert ihr noch manchmal so richtig hart?
Ich feiere gar nicht. Ich trinke nicht, nehme keine Drogen. Seit Jahren schon. Eine Tasse Tee ist heutzutage schon das größte Vergnügen im Leben. (lacht)

Euer neues Album, „Zero Days“ erscheint übermorgen. Wie viele Songs spielt ihr live?
Momentan nur einen.

Warum nur einen?
Ich war  in letzter Zeit sehr beschäftigt. Nach der letzten PRONG-Tour musste ich direkt mit Danzig auf Tour – ich hatte also wenig Zeit, die Songs zu üben. Ich mag es aber auch nicht, wenn ich eine Band anschaue und die dann nur neues Zeug spielt. Ein oder zwei ist okay. Als „Ruining Lives“ rauskam, haben wir ganz viel neues Material gespielt, aber ich hatte das Gefühl, die Leute wollen trotzdem lieber die alten Stücke hören. Aber das Album ist gut, vielleicht spielen wir später mehr davon. Die Sache ist aber auch, dass es bei den Songs wirklich schwer ist, sie auf der Gitarre zu spielen und gleichzeitig zu singen.

Was macht hier den Unterschied zu dem älteren Material?
Ich habe dem Gesang diesmal mehr Aufmerksamkeit geschenkt, der Komposition generell. Deswegen sind die Songs stimmlich eine größere Herausforderung als die alten Songs. Glaub es oder nicht, aber für ein Song wie „Sense Of Ease“ von „X – No Absolutes“ musste ich einen ganzen Monat lang zwei bis drei Stunden am Tag üben, um ihn zu lernen. Ich lerne wirklich langsam. Das war schon in der Schule so: Ich musste immer wirklich viel pauken, um eine Prüfung zu bestehen. Ein Solo einzustudieren kostet mich extrem viel Zeit. Es gibt Leute, Schlagzeuger oder auch Gitarristen, die einen Song einmal spielen und nie wieder vergessen. Bei mir ist das anders.

Bedauerst du manchmal, dass du gleichzeitig singen und Gitarre spielen musst?
Ja! Definitiv.

Für was von beidem würdest du dich entscheiden, wenn du könntest?
Ich glaube, ich bin in beidem nicht sonderlich gut. Ich bin okay – wirklich besonders ist eigentlich nur, dass ich eben singe und Lead-Gitarre spiele. Diese Kombination ist etwas, was ich kann, das mache ich ganz ordentlich. Aber Gitarrist alleine … okay. Aber einfach auf die Bühne kommen und singen … ich glaube, dafür sehe ich nicht gut genug aus. (lacht)

Welchen Song habt ihr euch denn ausgesucht und wie reagieren die Fans?
„Divide And Conquer“! Die Leute scheinen ihn zu mögen. Die Songs sind alle stark, aber der ist wohl der eingängigste, „poppigste“. Deswegen wollten sie auch, dass wir für diesen Song ein Lyric-Video machen. Aber es sind auch härtere, verrücktere Stücke auf dem Album. Aber wenn ich in meiner Karriere mit PRONG etwas gelernt habe, dann, dass die hymnenhaften irgendwie immer besser funktionieren. Wir sind einfach keine richtige Thrash-Band. Wir machen zwar auch Thrash, aber eher als eine Mischung aus Power-Punk und Thrash oder Hardcore oder so.

Du hast gerade gesagt, „Sie“ wollten, dass es zu „Divide And Conquer“ ein Lyric-Video gibt. Wer sind „sie“, wer entscheidet das?
Das Label, der Manager …

Das entscheidest also gar nicht du selbst?
Ich will das nicht entscheiden. Wenn ich das entscheide und dann kauft keiner das Album, ist es meine Schuld. (lacht) Ich versuche mich also von solchen Entscheidungen fernzuhalten. Früher habe ich solche Entscheidungen getroffen und dann haben sie sich als scheiße herausgestellt – das habe ich mir dann ewig anhören dürfen. Dann kommen die Leute immer mit: Du hast gesagt, du hast gemacht … bla bla bla.

Werdet ihr die Setlist für die Sommer-Festivals ändern?
Wir ändern die Setlist immer … wir könnten wirklich viele Songs spielen. Bei den Club-Shows, die wir gerade in England gespielt haben, war unser Set 110 Minuten lang. Das war vielleicht ein bisschen zu viel – zumindest für mich. Das hat mich dann einfach stimmlich erschöpft. Mal abwarten. Wenn Jason jetzt dann zurückkommt, wird das sowieso erst einmal ziemlich irre. Wir haben jetzt eine ganze Zeit nicht zusammen gespielt und er ist echt ein verrückter Typ.

Warum ist er überhaupt ausgestiegen?
Er mochte die Art nicht, wie wir reisen. Er fand, dass PRONG nicht berühmt genug ist. Jetzt wird er von der Situation wirklich angepisst sein, weil wir diesmal unkomfortabler denn je unterwegs sind: Wir haben einen Sprinter für die ganze Truppe.

Und trotzdem kommt er zurück? War es schwer, in davon zu überzeugen?
Er tut mir einen Gefallen damit, weil wir verzweifelt sind. Ich habe nicht mit ihm gesprochen – mein Manager hat ihn angerufen. Ich war damit beschäftigt, dem Gitarren-Tech die Bassspuren beizubringen, damit er heute den ersten Teil des Sets spielen kann. Ich habe nur gesagt: Ruf Jason an und frag mal, was der gerade macht. Das kostet uns jetzt halt eine Stange Geld, weil wir ihn erst einmal einfliegen müssen. Aber wir müssen die Shows ja spielen.

Das ist wirklich stark, dass ihr die Tour nicht einfach absagt!
Ich hoffe wirklich, dass die Fans das heute, wenn hören, was wir vorhaben, genauso sehen!

Da bin ich mir sicher. Der Rahmen der heutigen Show ist generell etwas Besonderes: Das Free&Easy ist ein etabliertes Gratis-Musik-Festival. Das Publikum dürfte sich also von dem einer normalen PRONG-Show unterscheiden …
Das ist gut!

Geht ihr die Sache also anders an als bei einer regulären Show?
Das ist eine gute Frage. Wir experimentieren da auch gerne mal. Wir haben dieses „Normalo-Festival“ in Holland gespielt … bist du oft in Holland? Es ist so ein kleines Land … außerhalb von Amsterdam haben die Leute keine Probleme, könnte man meinen. Es war ein gemischtes Festival, mit den verschiedensten Leuten. Was sollen wir da spielen? Die Leute kennen gar keine negativen Gefühle da. (lacht) Deren Leben ist so großartig … jeder schaut nett aus. Da haben wir das Set dann geändert. Ich finde das cool, wenn eine Mutter mit ihrem Kind im Publikum steht, ganz gewöhnliche Leute, und die das, was wir da machen, cool finden. Das rockt mich. Da spielen wir dann eher was von „Prove You Wrong“, diese etwas typischeren Rock-’n’-Roll-Songs. Aber das machen wir heute sowieso, insofern sollte das schon gutgehen. Ich dachte aber auch, dass das ein Metal-Festival oder sowas in der Art ist …

Das Programm ist bunt gemischt, aber mit viel Metal dabei, klar.
Das ist cool!

Spielst du generell lieber auf Festivals, wo sich das Publikum nicht nur aus PRONG-Fans zusammensetzt, oder lieber in Clubs vor deinen eingefleischten Fans?
In England haben wir jetzt sehr kleine Locations gespielt – das war unglaublich, verrückt. Diese vollgestopften, kleinen Clubs, unglaublich heiß, verschwitzt, und alle waren nur da, um PRONG zu sehen. Viel besser geht es nicht. Wir haben keine Effekte wie Pyro-Technik – weil uns das Geld dafür fehlt – da ist es auf den großen Bühnen nicht ganz einfach. Wenn ich eine fette Show am Start hätte, mit Lichttechnik und allem, würde ich vielleicht lieber große Shows oder Festivals spielen. Aber so ist das wirklich eine Herausforderung und ich bin ein fauler Typ. (lacht)

Ich war wirklich überrascht, dass schon wieder ein neues PRONG-Album fertig ist. Ihr wart zwischenzeitlich ja auch viel auf Tour. Wie bekommst du das hin?
Du musst dir deine Zeit einteilen und dir einen Plan machen. Wenn ich eine Deadline habe, versuche ich, sie auch einzuhalten. Wenn ich keine habe, weiß keiner, wie lange etwas dauern wird. Deswegen bin ich ganz dankbar, dass sie mir eine Deadline gesetzt haben. Die wollte ich dann auch einhalten – das war meine persönliche Herausforderung. Wir haben über Jahre ohne Plan gearbeitet, ich hatte PRONG nicht viel Aufmerksamkeit zukommen lassen. Jetzt, wo ich mich auf PRONG fokussiert habe, wollte ich auch eine zusammenhängende Serie an Veröffentlichungen herausbringen. Ich bin stolz darauf, zu wissen, dass ich das auch hinbekommen kann.

Was das „wie“ angeht: Viel ist auf Tour entstanden. Wir haben heute alle Smartphones. Wenn mir beim Soundcheck eine Riff-Idee kommt, nehme ich sie einfach auf. Das gleiche gilt für Text-Ideen – ich schreibe alles erst einmal ins Handy und entwickle es später weiter. Daheim höre ich mir das ganze Material dann an, habe neue Ideen, und sitze monatelang am Rechner, um alles zusammenzufügen.

Wie wichtig sind dir die Texte generell? Sind sie nur notwendige Ergänzung der Musik, oder willst du eine Message verbreiten?
Wenn ich Texte schreibe, muss ich mit ihnen glücklich sein – und ich schreibe alle Texte bei PRONG. Es muss etwas sein, womit ich mich identifizieren kann. Bei „Zero Days“ waren mir die Texte sehr wichtig. Die Leute sagen ja grundsätzlich immer, dass sie in verrückten Zeiten leben – aber wir hatten jetzt diese Wahl, es war viel Zeug in den Medien, viele Leute mit verschiedenen Ansichten … das war auf dem letzten Album ja auch schon ein Thema. Nicht, dass ich nichts zu sagen gehabt hätte. Themen gab es wirklich genügend.

Die Schwierigkeit war, es in coole Worte zu fassen, coole Songtitel zu finden … passende Arrangements für den Gesang dazu zu finden. Ich schreie ja nicht mehr. Aus diesen Ideen echte Hymnen zu machen, das war die Herausforderung. Ich arbeite da viel mit unserem Produzenten Chris Collier zusammen – auch, was das Songwriting angeht. Er ist ein echter Musiker. Ich sage ihm: Ich habe hier diesen Text, ich muss den nochmal umschreiben. Und er sagt: OK, dann geh heim und mach das. Dann sitze ich da bis spät in die Nacht, komme morgens wieder ins Studio und sage: Fuck, ich hab‘s noch nicht. Aber das geht dann eben so, bis ich endlich eine Version habe, von der ich sage, das ist okay. Ich weiß nicht, was da der Standard ist, aber ich bin damit erst fertig, wenn ich an den Punkt komme, an dem ich sagen kann: Das ist cool.

Auf dem letzten Album ist ein Song, „Do Nothing“, dessen Text ich in fünf Minuten geschrieben habe. Ich hatte die Gesangsmelodie im Kopf, und dann kam mir der Text einfach so. Das war verdammt cool. Bei anderen Songs reiße ich mir Wochen, manchmal Monate lang die Haare aus!

Worum geht es auf „Zero Days“ denn?
Es ist ein apokalyptisches Szenario: Die Zeit läuft aus, die Zukunft ist ungewiss, das Ende ist nah. Das deines Lebens auch! Du musst dich daran erinnern, dass jeder Tag der letzte sein könnte, an dem du lebst. Wer weiß? Vielleicht gibt es kein Morgen! Über so etwas denke ich nach – vor allem in meinem Alter. Ich bin froh, dass du diese Frage gestellt hast, denn ich muss mich immer wieder daran erinnern: Genieße das Hier und Jetzt. Das alles könnte bald vorbei sein!

Das Artwork schaut sehr futuristisch und skurril aus. Wie viel Anteil hast du an dem Design?
Das Artwork hat der Künstler [Sebastian Rohde, A. d. Red.] abgeliefert, ursprünglich als Poster. Ich fand das Bild einfach cool. Das einzige, was ich hinzugefügt habe, war das dritte Auge – das war mir wichtig, weil man das mit PRONG verbindet. Aber er hat schon für ein paar Alben für uns gearbeitet, deswegen wusste er, was wir mögen. Als ich dieses Igelfisch-Schädel-Ding gesehen habe, habe ich gesagt: Das ist cool, lasst uns das für das Cover verwenden. Die Leute mögen Schädel einfach.

Musikalisch, aber auch vom Sound her, ist das Album härter als die letzten. War das Absicht, habt ihr euch gedacht: Wir müssen jetzt was Härteres rausbringen?
Ich glaube, Mike hat das so gesehen. Chris und die anderen eher nicht. Ich schon. Das Label oder der Manager wollten das wohl auch nicht.

Sind sie trotzdem glücklich mit dem Album?
Mein Manager war es. Mit dem Label habe ich nichts zu tun. Mit den Leuten rede ich gar nicht. Ich treffe ab und an Olly Hahn von Steamhammer, das ist immer sehr nett. Aber ihm ist egal, was wir machen.

Das Ding bei PRONG ist: Wir brauchen beides. Ich will das harte Zeug, aber wir brauchen auch diese Hymnen. Das ist die Herausforderung. Auf Spotify gibt es schon genug hartes Zeug, Deathcore-Playlists. Krasses Material mit alles niederschmetternden Riffs. Aber irgendwann wird man von diesen ganzen harten Riffs und Breakdowns ja ganz blöde. Ich denke mir: Schön und gut, aber wie macht man daraus einen Song? Ich nehme also etwas davon – bei PRONG gibt es immer mindestens eine Handvoll harter Riffs – aber wir stimmen die Gitarren beispielsweise nicht auf G herunter. Bei vielen Bands klingt alles so tief – wofür braucht man da noch einen Bass? Wir bleiben lieber in D.

Gibt es Bands, die du konkret für „Zero Days“ als Einfluss nennen würdest – Bands, die du in der Entstehungszeit viel gehört hast, die dich geprägt haben?
Nicht direkt. Aber mit Obituary auf Tour zu sein, war natürlich eine große Sache. Die sind echt cool – diese klassischen, krachenden Riffs. Das könnte diese Entwicklung etwas angeschoben und mich dazu verleitet haben, auszuprobieren, ob etwas in der Art auch zu PRONG passt. Aber PRONG ist PRONG. Was immer PRONG ausmacht … keine Ahnung, ob das jemand anderes nachvollziehen kann oder ob das Mysterium ist. Aber ich weiß es. Ich war immer von Post-Punk-Bands wie Joy Division beeinflusst. Aber wenn ich so etwas in die Hände bekomme, wird es zu etwas komplett anderem.

Andersherum sagen viele große Bands, dass sie von PRONG beeinflusst worden wären. Bist du darauf stolz?
Das sagen eigentlich nur Journalisten! Ich treffe nicht so viele Leute, die das sagen. Wenn wir auf einem Festival mit solchen Bands spielen, werde ich von allen ständig nur böse angeschaut. (lacht) Die ganzen jungen Bands, die sich fragen: Wer sind diese Idioten? Ich erlebe das wirklich nicht so oft. Ich bin da ganz ehrlich – mein Kontostand schaut schlechter aus denn je. Ich werde mit alledem hier nicht reicher. Aber darum geht es ja auch nicht. Aus irgendeinem Grund nehme ich mir solche Aussagen nicht zu Herzen. Ich weiß nicht, ob es stimmt, ich weiß auch nicht, ob es mich allzu sehr interessiert. Aber ich spüre es nicht. Ich muss total zynisch klingen …

Bist du mit deiner Karriere und damit, wo du heute stehst, zufrieden?
Nein. Ich bin definitiv nicht zufrieden mit meiner Karriere.

Warum nicht? Was war aus heutiger Perspektive der Punkt, an dem etwas schief gelaufen ist?
Ich habe viele schlechte Sachen und viele Fehler gemacht. Und mache sie immer noch. Ihr hier in Europa spielt ja nicht Baseball … aber in Amerika wird ein Baseball-Spieler an seinem Batting-Average gemessen – wie viele Treffer, wie viele Erfolge er hat. Baseball-Spieler sind große Verlierer. Weil wenn du bei drei Versuchen einen Treffer landest, bist du ein großer Star. Dein Durchschnitt ist eins auf drei. Ich treffe einen Ball auf dreihundert, oder vielleicht 250 oder so. Für jeden Versuch braucht man oft vier Fehlschläge. Im Musikbusiness aktiv zu sein, ist eine konstante Übung in Bescheidenheit.

Denkst du, die Fanschar von PRONG wächst noch immer, oder ist eure Fanbase eher konstant?
Sie wächst schon noch. Aber nicht so schnell, wie ich das gerne hätte, sondern eher schleppend.

Ist es heute einfacher oder schwieriger, eine Band groß zu machen?
Durch die Smartphones hat der visuelle Aspekt deutlich an Bedeutung gewonnen: Natürlich gab es schon immer Magazine und so weiter, aber früher hast du die Band nicht wirklich gesehen. Vielleicht haben wir ein paar Fotos von Yes oder Jethro Tull gesehen, klar, aber das war nicht wichtig. Heute hören sich die Leute einen Song eine Minute lang an und sagen: Die Typen sind scheiße. Oder: Schau dir die Arschlöcher mal an, die schauen dumm aus. Wir leben in einer Zeit, in der unglaublich schnell geurteilt wird.

Für eine Band wie PRONG war es früher einfacher. Wir waren ganz gut – alles, was wir machen mussten, war, Auftrittsmöglichkeiten zu finden, uns in den Bus zu setzten und Shows zu spielen, auf Tour gehen und Alben aufnehmen. Ich glaube, das reicht heute nicht mehr aus. Du musst irgendwelchen verrückten Social-Media-Marketing-Kram machen, jeder muss irgendwie besonders aussehen – da ist viel Imagepflege dabei. Du musst das alles heute beachten. Wenn PRONG heute so aufkommen würde, wie wir waren, als wir damals angefangen haben, würden wir es glaube ich nicht weit bringen.

Was sind eure Pläne für die nächste Zeit?
Wir spielen jetzt erst einmal diese Tour, dann kommen ein paar Shows in Amerika – unter anderem das Metal Maya Festival in Cancun [Mexico, A. d. Red.]. Wir haben ja eben erst eine große Tour in Amerika mit Testament gespielt, aber wir wollen jetzt direkt weitermachen, auch, weil das neue Album jetzt eben draußen ist. Aber in Amerika ist das echt verrückt: Wir hatten „X – No Absolutes“ für über ein Jahr draußen, und die Leute kamen und waren verwundert, dass wir ein neues Album draußen haben. Die Leute interessieren sich einfach für nichts da drüben.

In den USA geht ihr immer mit solchen Szenegrößen auf Tour – aber in Europa seid ihr meistens alleine unterwegs. Warum?
Es ist schwer, eine passende Band zu finden! Außerdem waren wir doch eben erst mit Obituary und Exodus hier. Aber es ist auch nicht einfach, es so aufzuziehen, dass es sich finanziell lohnt. Wenn du als Support-Band unterwegs bist, verdienst du weniger Geld. Nicht, dass wir mit dieser Tour viel Geld verdienen, aber es muss sich eben finanziell ausgehen. In Amerika ist es das gleiche – wir versuchen immer, Headliner-Clubshows zu spielen, und nehmen die Tour-Support-Angebote eben mit, um Aufmerksamkeit auf uns zu ziehen. Ob das nun klappt, oder nicht, sei dahingestellt. Aber deswegen zahlen Bands Geld, um bei diesen Touren dabei zu sein. Aber wir waren eher in den ‘90ern groß – gerade in den USA hat man manchmal das Gefühl, dass sich heute irgendwie keiner mehr für irgendwas interessiert. Das ist wirklich komisch – den Leuten da drüben scheint alles egal zu sein.

Schöne letzte Worte, wie ich finde. Vielen Dank für deine Zeit und Antworten. Zum Abschluss des Interviews würde ich gerne noch ein kurzes Brainstorming mit dir machen. Was kommt dir zu folgenden Begriffen in den Sinn:

Facebook: Es widert mich an, aber ich schaue trotzdem noch rein.
Donald Trump: Sehr enttäuschend. Ich dachte, er würde vieles nur sagen, um gewählt zu werden – und jetzt regiert er genauso. (lacht) Ihr Europäer scheint schlauer zu sein – ihr habt gleich gesagt: Der ist wirklich so! Und die Leute hier dachten, er wird sich entspannen, wenn er Präsident ist. Falsch.
Festivals: Stress
Bier: Mag ich nicht … ich halte mich davon fern. Es stößt mich ab.
PRONG in zehn Jahren: Oh … ich glaube, wir sind immer noch unterwegs. Keine Ahnung, mit welchem Status, aber ich glaube, das hält noch zehn Jahre.

Vielen Dank für das Interview!
Gerne!

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