Review Völur – Ancestors

(Doom Metal / Folk) Mit ihrem Debüt „Disir“, dem Re-Release ihrer gleichnamigen Demo auf Prophecy Productions, haben VÖLUR 2016 eine markante erste Duftmarke im avantgardistischen Metal-Bereich gesetzt. Wir erinnern uns: Das kanadische Trio spielte eine eindringliche, urgewaltige Form von Doom Metal, vermischt mit erdigem Folk und rituell anmutenden Gesängen – ganz ohne E-Gitarren, deren Rolle dem E-Bass zukam. Auch auf ihrem zweiten Full-Length „Ancestors“ konzentrieren VÖLUR sich weiterhin voll und ganz auf tief grollende Basslines, stimmungsvolle Geigen und reduzierte, kraftvolle Drumbeats, ohne jedoch stilistisch zu sehr auf der Stelle zu treten. Besungen werden diesmal die männlichen Figuren der germanischen Mythologie, als Kontrast zu den weiblichen, denen „Disir“ gewidmet war.

Die Merkmale, die „Disir“ ausmachten, waren vor allem die mystische Atmosphäre, die rohe, ungeschliffene Produktion, die ausschweifenden Songstrukturen sowie die Tatsache, dass die härteren Stilmittel mit jedem Song mehr in den Hintergrund traten. Einiges davon haben VÖLUR auch auf „Ancestors“ beibehalten. Mit ihren vier neuen Songs, die zwischen zehneinhalb und siebzehn Minuten lang sind, haben die Kanadier zum Beispiel die Spielzeit sogar noch etwas mehr in die Länge gezogen. Dass im Opener „Breaker Of Silence“ erst nach mehreren Minuten leisen Raschelns und beschwörender Vocals gemächliche Drums und ein zurückgelehnter Bass einsetzen, sagt wohl einiges über den meditativen Gehalt der Platte aus.

Bezüglich Produktion und Verteilung der Stilmittel haben VÖLUR sich hingegen merklich weiterentwickelt, beides ist nun wesentlich ausgeglichener. Sowohl die brachialen Metal-Elemente wie die monströsen und durchaus vielseitigen Growls als auch die emotionalen Geigen, die in feinster My-Dying-Bride-Manier trostlos schluchzen, sich aber auch immer wieder nach dem Vorbild Dornenreichs sanft anschmiegen, kommen nunmehr in jedem der Tracks zum Einsatz. Zugleich liegen die Extreme auf „Ancestors“ noch weiter auseinander als zuvor, man bekommt es einerseits mit minimalistischen Ruhepausen und andererseits mit chaotischen, zügellosen Ausbrüchen („Breaker Of Famine“) zu tun, die man in dieser Intensität von VÖLUR noch nicht gehört hat.

Der Sound ist nun wesentlich klarer und ausbalancierter als noch auf der EP, von glattgebügelt kann jedoch nicht die Rede sein, sodass VÖLUR nichts von ihrer rohen Energie abhanden gekommen ist. Ebenso wenig ist die Musik der Ausnahmemusiker leichter zugänglich geworden, eher das Gegenteil ist der Fall. Obwohl VÖLUR Doom Metal und Folk nun etwas dichter miteinander verknüpfen und ihre Songs damit stringenter machen, wirkt „Ancestors“ sogar noch experimenteller als sein Vorgänger.

Wem „Disir“ schon zu ungewöhnlich war, der wird mit „Ancestors“ wohl kaum mehr anfangen können. Doch auch Fans der besagten Platte haben hier gewiss kein leichtes Spiel. Trotz der an sich relativ simplen Melodieführung und der vielfältigen Stimmungen, die VÖLUR auf ihrem ersten Studioalbum kreieren, kann es leicht passieren, dass man beim Hören gedanklich abschweift, außerdem prägen sich nur einzelne Passagen ein. „Ancestors“ ist anstrengend und zäh, aber aufgrund seiner außergewöhnlichen Herangehensweise auch seltsam faszinierend und somit definitiv für all jene von Interesse, die in Musik den Ausdruck von Mystik und Urkraft suchen.

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Wertung: 7.5 / 10

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