Interview mit Jacob Holm-Lupo von White Willow

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WHITE WILLOW sind nicht einfach nur eine herkömmliche Prog-Rock-Band, sondern eine lose Zusammenarbeit verschiedener Musiker um den Multi-Instrumentalisten Jacob Holm-Lupo, die mit „Future Hopes“ nunmehr ihr siebentes Album veröffentlicht hat. Im Interview mit Mastermind Jacob, der hinter den verschrobenen Kompositionen steckt, erfahrt ihr mehr über die Thematik der Platte, seinen Bezug zu Metal und warum ein 18-minütiges Epos manchmal leichter zu arrangieren ist als ein Drei-Minuten-Track.

 

Deine Band WHITE WILLOW ist noch nicht allzu weit bekannt, darum stell dein Musikprojekt und dich zuerst bitte kurz vor.
WHITE WILLOW ist eine Prog-/Art-Rock-Band aus Norwegen. Wir haben Mitte der 90er angefangen und 1995 unser erstes Album veröffentlicht. Wir waren ein Teil der neuen skandinavischen Prog-Rock-Szene der 90er, neben Änglagård und Anekdoten. „Future Hopes“ ist unsere siebente Platte.

Was verbindest du mit dem Namen WHITE WILLOW? Inwiefern passt er zu eurer Musik?
Unser erster Flötist kam auf diesen Namen. In der keltischen und nordischen Mythologie symbolisiert die Silberweide die Mysterien der Nacht und des Mondes und wir fanden, dass das passte. In unseren neueren Alben ist wohl etwas weniger Naturmystik als früher, aber ich denke, wir klingen immer noch verdammt mysteriös…

Von welchen Musikern und Bands seid ihr am meisten beeinflusst?
Anfangs waren wir von Genesis der 70er, King Crimson und Folk Rock wie dem von Fairport Convention und Nick Drake beeinflusst. Die italienische Szene mit Bands wie PFM, Banco und Le Orme war für uns auch sehr wichtig. Aber es ist immer auch ein starkes Pop-Element in unserer Musik, Bands wie Abba und The Police hatten auch Einfluss auf uns. Außerdem natürlich etwas Hard Rock, insbesondere Blue Öyster Cult, The Scorpions und Rainbow.

Hast du auch einen Bezug zu Metal?
Als ich aufwuchs, war ich ein großer Metalhead mit einer umfangreichen Sammlung von klassischem Hard Rock wie Rainbow, Black Sabbath und Blue Öyster Cult sowie NWOBHM-Zeug. In den 90ern, ungefähr zu der Zeit, als wir mit WHITE WILLOW anfingen, begeisterte ich mich für die norwegische Black-Metal-Szene und britisches Melodic-Death-Metal-Zeug, also hörten wir vieles wie Darkthrone, Mayhem, frühe Anathema und My Dying Bride, auch wenn das aus der Musik von WHITE WILLOW nicht direkt hervorgeht. Ich hatte auch eine Doom-Metal-Band namens Sariel, wir haben ein paar lokale Gigs gespielt. Außerdem war ich mit Lars Fredrik Frøislie, dem Keyboarder von WHITE WILLOW, in der Black-Metal-Band In Lingua Mortua involviert.

In der Beschreibung eures neuen Albums „Future Hopes“ steht, dass ihr euch eher als lose Kollaboration von Musikern versteht, nicht direkt als Band. Stimmt das und falls ja, wie darf man sich das vorstellen und was ist der Grund dafür?
2007 haben wir aufgehört, im traditionellen Sinn live zu spielen und zu proben. Seitdem besteht die Band hauptsächlich aus mir, ich schreibe die Musik und mache die Alben zusammen mit ein paar regelmäßig beteiligten und ein paar weiteren Musikern. Unser Drummer Mattias Olsson, unser Keyboarder Lars Fredrik Frøislie und unser Flötist Ketil Einarsen sind eigentlich immer dabei, ansonsten wechselt das ständig. Also fühlt es sich nicht so an wie eine Band. Es ist ein Studioprojekt.

Eure Besetzung hat sich seit eurem letzten Album geändert. Wie kam es dazu und wie hast du dich für die neuen Mitglieder entschieden?
Ich suche einfach immer nach den richtigen Musikern für das, woran ich arbeite. Bei Venke, unserer neuen Sängerin, hatte ich das Gefühl, dass sie perfekt für den Rest der Musik geeignet sei. Sie hat eine coole, zurückhaltende Stimme, die genug Raum für den Rest der Musik lässt. Außerdem habe ich nach einem Gitarristen gesucht, der Leads über harmonisch komplizierte Akkordfolgen spielen, es aber trotzdem nach Rock klingen lassen kann, also bat ich Hedvig Mellostad darum, auf ein paar Songs Leads zu spielen. Wer auch immer für den Job geeignet ist, bekommt ihn!

Wie läuft bei dir das Songwriting ab? Was ist die Basis?
Ich versuche immer, eine bestimmte Atmosphäre zu vermitteln, also fängt es oft dort an – eine spezielle Atmosphäre oder Emotion kann als Inspiration dienen, um darauf aufbauend zu schreiben. Ich schreibe entweder auf einem Piano oder einer Gitarre, meist fange ich mit einer Akkordfolge an, dann lege ich eine Melodie darüber, all das schmücke ich dann mit Instrumental-Passagen und dergleichen aus, sofern es sich richtig anfühlt. Zum Schluss arbeite ich an den Texten.

Was sind deiner Meinung nach deine größte Stärke und Schwäche als Musiker?
Meine vielleicht größte Stärke ist, dass ich ein ziemlich gutes Verständnis verschiedener Genres habe. Meine Schwäche ist, dass ich ein sehr fauler Musiker bin, ich hasse es, zu üben!

Wie bereits erwähnt, ist „Future Hopes“ eure neue Platte. Der Titel scheint schon vorwegzunehmen, worum es in den Texten geht. Dennoch möchte ich dich bitten, etwas auf eure Lyrics einzugehen.
Der Titel ist halb ironisch gemeint, ein kleiner Kommentar zu der Welt, in der wir leben, die dieser Tage ziemlich hoffnungslos erscheinen kann. Aber was wären wir schon ohne Hoffnung? Es ist gewissermaßen ein Sci-Fi-Konzeptalbum, das sehr lose einem jungen, verliebten Paar folgt, das vor einer Art Katastrophe flüchtet und versucht, einen „Zufluchtsort“ zu finden, an dem es vielleicht eine Zukunft aufbauen kann. Ziemlich dystopisch, aber die positive Botschaft darin ist, dass man fast alles überstehen kann, wenn man liebt – und hofft.

Entgegen des Titels klingen einige der Songs eher düster denn hoffnungsvoll, so zum Beispiel „In Dim Days“. Was ist der Grund dafür?
Wie gesagt, die Platte hat etwas von beidem an sich. Die Hoffnungslosigkeit einer Welt, die zu zerfallen scheint, und ein Universum, das sich nicht um das Schicksal der Menschheit kümmert. Im Kontrast dazu wiederum die Wärme und Bedeutung menschlicher Beziehungen, Freundschaft und Liebe.

Mit „A Scarred View“ habt ihr einen 18 Minuten langen Song auf der Platte. Warum hast du dich dafür entschieden, diesen Track so lang zu arrangieren und war das eine Herausforderung?
Es ist halt letztlich einfach so geworden. Manchmal fühlt sich ein Song nach drei Minuten fertig an, dann wiederum der eine oder andere wie ein Buch, das viele Kapitel braucht. „A Scarred View“ war in gewisser Weise ein musikalisches Buch. Eigentlich war es sogar einer der einfacher zu schreibenden Songs der Platte. Oft ist es schwerer, einen guten, kurzen Song zu schreiben, weil man sehr viel in einen kurzen Zeitraum komprimieren muss.

Außerdem habt ihr „Animal Magnetism“ von den Scorpions gecovert. Was begeistert dich so an dem Song, dass ihr ihn gecovert habt und was war deine Intention hinter dem Cover?
Zusammen mit „Sails Of Charon“ und „China White“ ist das einer meiner Lieblingssongs von den Scorpions. Ich liebe diese doomigen, orientalisch angehauchten Songs, die sie damals gemacht haben. Ich hatte die Idee, die Scorpions mit einer Kraut-Rock-Legende wie Tangerine Dream zu kombinieren. Also habe ich ein paar Gitarrenelemente des Songs genommen und sie gewissermaßen in die Synthesizer-Sprache „übersetzt“, um ein wenig von diesem Tangerine-Dream-Gefühl einzufangen. Darüber hinaus wollte ich ein menschliches Element darin haben, also ließ ich David Krakauer ein Klezmer-Klarinettensolo darauf spielen, was sehr gut zu der orientalischen Tonalität passte. Ich schätze, ich wollte einfach etwas ganz anderes daraus machen!

Welcher ist dein Lieblingstrack auf der Platte und warum?
Das ist beinahe unmöglich zu sagen. Aber ich denke, die Band spielt auf „In Dim Days“ sehr gut, während „A Scarred View“ einige echte Gänsehautmomente hat.

Das Artwork sieht aus wie das eines Retro-Videospiels. War das beabsichtigt und falls ja, weshalb? Und was kannst du uns sonst darüber erzählen?
Das Artwork ist von dem legendären Künstler Roger Dean, der die ganzen klassischen Artworks für Yes, Uriah Heep und Asia gemacht hat. Er ist mein Lieblingskünstler, wenn es um Artworks geht, und seit ich ein Kind war, war es mein Traum, dass er ein Artwork für meine Band macht. Wir haben ihn bei einem Gig in den USA getroffen und nun hatten wir endlich die Gelegenheit, mit ihm zu arbeiten.

Wie wird es nun mit WHITE WILLOW weitergehen? Werden wir wieder so lang auf das nächste Album warten müssen?
Ich weiß es nicht. Neben WHITE WILLOW habe ich noch eine andere Band namens The Opium Cartel und ich führe außerdem ein Label namens Termo Records sowie ein Mixing-Studio, in dem ich den Mix für andere Bands mache. Aber ich habe schon das ganze Material für ein neues Album von WHITE WILLOW fertig, also wird es definitiv keine sechs Jahre bis zum nächsten Album dauern.

Kommen wir langsam zum Ende. Zum Schluss noch unser traditionelles Metal1.info-Brainstorming:
Techno: Bäh.
Konzeptalbum: Liebe ich. „The Lamb Lies Down On Broadway“ (Anm. d. Red.: 1974er Genesis-Album)
Gitarre – Keyboard: Eine Balance zwischen beiden.
Terrorismus: Beschissen!
Norwegen: Heimat, Ziegenkäse.
WHITE WILLOW in zehn Jahren: Wenn die Welt noch steht, werden wir es auch.

Wunderbar, dann nochmals danke sehr für deine Antworten. Gibt es noch etwas, das du unseren Lesern sagen möchtest?
Danke für eure Zeit und checkt auch andere norwegische Bands wie Wobbler oder Weserbergland aus!

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