Review Soen – Lykaia

2016 haben Opeth mit „Sorceress“ zum ersten Mal seit „Damnation“ ein ohne Abstriche gelungenes Prog-Rock-Album vorgelegt. Doch auch um ihren ehemaligen Drummer Martin Lopez ist es alles andere als still geworden. Nachdem er mit Fifth To Infinitys Debüt „Omnipotent Transdimensional Soulfire“ auf überwältigende Weise unter Beweis gestellt hat, dass er im Gegensatz zu Opeth noch nicht mit Extreme Metal abgeschlossen hat, gibt sich nun seine Progressive-Metal-Formation SOEN die Ehre. Drei Jahre mussten Fans auf das dritte Werk des Quintetts warten, nun ist das nach einem antiken, okkulten, griechischen Fest benannte „Lykaia“ endlich da.

Nicht nur aufgrund ihres Gründungsmitglieds, sondern auch wegen der sich aufdrängenden musikalischen Parallelen müssen sich SOEN wohl oder übel dem Vergleich mit Opeth stellen. Denn wie es bei den ehemaligen Prog-Deathern seit „Heritage“ der Fall ist, setzen auch SOEN auf emotionalen Klargesang, kraftvolle und verspielte Riffs sowie vertracktes Drumming. Viel Neues bringen die Prog-Metaller also nicht auf den Tisch und so ist es nicht verwunderlich, dass der Opener „Sectarian“, obwohl er ordentlich Drive hat, erst mal wenig beeindruckt.
Das Geheimnis liegt bei SOEN im aufmerksamen Zuhören, durch das sich in weiterer Folge doch immer wieder Besonderheiten offenbaren, mit denen die Jungs punkten können. Joel Ekelöf zum Beispiel nimmt es mit seinem vielseitigen Gesang im Handumdrehen mit Mikael Åkerfeldt auf, ob er nun sehnsüchtig schmachtet wie im mitreißenden Refrain von „Sister“ oder sich sanft in die Ohrmuscheln des Hörers bettet wie im verschlafenen, bluesig-angehauchten „Paragon“. Natürlich sind auch Nummern wie das jazzige, verträumte „Lucidity“ oder das treibende, leicht mysteriöse „Opal“ nicht gerade bahnbrechend, rein stilistisch betrachtet ist das alles altbekannt. Doch für sich betrachtet machen die Kompositionen von SOEN echt viel her.
Die Gitarren sind, wenn schon nicht allzu neuartig, so doch zumindest einfallsreich arrangiert, dem Bass wird genügend Platz im Rampenlicht geboten und die variablen Schlagzeugrhythmen von Martin Lopez entbehren jeglicher Schwachstelle. Für zusätzliche Abwechslung sorgen liebevoll eingearbeitete Details, da wären beispielsweise die coolen orientalischen Melodien im geheimnisvollen „Jinn“ oder ein paar vereinzelte Akustik-Parts. Dass SOEN „Lykaia“ analog aufgenommen und kaum nachbearbeitet haben, kommt dem Album ebenfalls sehr zugute, der Sound könnte nicht lebendiger sein.

Mit ihrem dritten Langeisen haben SOEN den Progressive Metal zwar nicht neu geschrieben, aber dennoch um ein von vorne bis hinten starkes Album bereichert, das von der Songwriting-Qualität her mindestens auf einer Stufe mit Opeth steht. „Lykaia“ bringt jedenfalls alles mit, was man sich von einem guten Prog-Werk erwarten darf, es ist abwechslungsreich, gefühlvoll, kreativ und dennoch einprägsam. Wer sich also nicht daran stört, dass SOEN sich musikalisch nicht allzu sehr von ihren bekannteren Kollegen angrenzen, ist gut damit beraten, hier zuzugreifen.

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Wertung: 8 / 10

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