Konzertbericht: Devin Townsend Project w/ Between The Buried And Me, Leprous

17.02.2017 Leipzig, Täubchenthal

Das Leipziger Täubchental beherbergt diesen Freitag eine multikulturelle Zusammenstellung an Musikern, nämlich Norweger, Amerikaner und Kanadier, die sich allesamt hochgradig komplexen Spielarten verschrieben haben: Avantgarde, Math, Prog. Gesprochen in Namen: LEPROUS, BETWEEN THE BURIED AND ME, DEVIN TOWNSEND PROJECT. Dass dieser Abend spannende Tracks liefern wird, ist garantiert. Dass er den Konzertbesuchern allerdings nicht nur auf Grund der musikalischen Leistung in Erinnerung bleiben wird, ist unvorhersehbar.

 

Pünktlich um 20 Uhr starten die Virtuosen von LEPROUS ihr knapp 40 Minuten währendes Set. Dank des ergreifend-gefühlvollen Gesangs von EInar Solberg, dessen Bandbreite besonders in den hohen Lagen zu berühren weiß, herrscht vom Opener „Foe“ bis zum ausklingenden „Slave“ eine Atmosphäre, die Gänsehaut mit Staunen verbindet. Die Energie und die Spiellust jedes Skandinaviers ist spürbar, Blickfang Baard Kolstad feuert hinter seinen Toms ebenso wild umher, wie es Solbergs Nacken bei „Third Law“ macht. Bereits ab der ersten Minute haben LEPROUS das gut gefüllte Täubchenthal im Griff, noch vor Ausklang der Tracks kommt es zu begeistertem Applaus. Der Höhepunkt ihrer Show: „Rewind“. Ein Song, der bereits auf „The Congregation“ zum Ausnahmehit avancierte und live die gleiche fesselnde Spannung erzeugt. Umso schleppender wirkt der sechste und letzte Song „Slave“, mit dem sich LEPROUS nach einer durchgängig packenden Performance von der Bühne verabschieben, nur um wenig später adrett und fannah auf dem Sofa vor dem Merch-Stand zu sitzen.

 

Nur etwa zehn Minuten nach dem letzten Saitenanschlag von LEPROUS gesellen sich die Herren von BETWEEN THE BURIED AND ME auf die Bühne und liefern strukturiertes Chaos mit Überraschungseffekten ab; catchy Melodik und Rhythmen, die sich in Schwindel erregender Schnelligkeit wandeln. Wer den Support zu experimentell fand, wird Reißaus nehmen vor den verkopften Songs der Amerikaner. Warum die Einen das Musizieren von BETWEEN THE BURIED AND ME schlichtweg schrecklich finden und vergeblich nach einem Zugang zu den Kompositionen suchen, ist ebenso klar wie die Meinung derjenigen, die diese Musik hochgradig anspruchsvoll und gelungen finden. Einigen können sich beide Lager aber mit Gewissheit darauf, dass die Musik viel vom Publikum fordert. Musik um des Chaos Willen, ziellos und nicht recht greifbar; für Technik-Fetischisten ein Traum, für Liebhaber von Harmonie und einer gewissen Struktur eher zu anstrengend.


Um 22 Uhr ist es so weit: Ein Glatzkopf nach dem anderen schleicht sich auf die dunkel ausgeleuchtete Bühne oder anders forumliert, das DEVIN TOWNSEND PROJECT bezieht Stellung und eröffnet sein Set mit dem dynamisch-druckvollen „Rejoice“. Ebenso flott geht es mit dem älteren „Night“ weiter, ehe sich mit „Stormbending“ und „Failure“ zwei Tracks vom neuen Album „Transcendence“ in die Setleist schleichen. Ebenso wie der Wandel von Devins sonnigem Strahlen zu seinen typischen grimmigen Grimassen bietet auch die Songauswahl eine Abwechslung, die sich dank seiner 25 Veröffentlichungen wohl von selber generiert. Auskopplungen von „Transcendence“ werden von „Addicted„-Hits wie „Supercrush“ abgelöst, ehe Material aus der „Deconstruction„-Ära ertönt. Bekannt für seine redefreudigen Kommentare zwischen den Tracks und einer Bühnenshow, in der Townsend von der ersten bis zur letzten Minute seine ungebremste Leidenschaft für die Tracks, aber auch seine Freude über die begeisterten Konzertbesucher zeigt, bestätigt das DEVIN TOWNSEND PROJECT auch heute erneut, enorm Entertainment liefern zu können.

Zumindest bis zu „Planet Of The Apes“. Inmitten des Tracks kippt die frenetische Stimmung, als plötzlich nicht mehr als nur noch Schlagzeuger Ryan Van Poederooyen zu hören ist; alle Gitarren scheinen verstummt, das Schlagzeug leiser, nur Townsend ist noch deutlich zu hören. Sekunden vergehen,  die Konzertbesucher schauen einander irritiert an und Townsend reckt wenig später die Arme in die Luft, um alles zum Stoppen zu bringen. Die Ursache ist schnell entlarvt („The PA is out!“), Townsend hat die gesamte Anlage zum Erliegen gebracht – oder ein Kurzschluss die Elektronik lahm gelegt? Das DEVIN TOWNSEND PROJECT ist ebenso überrascht wie seine Fans; Devin versucht die spontane Stille durch Faxen zu kitten, allerdings wird deutlich, dass die Reparatur minutenlang dauernd wird. Kurzerhand improvisiert der Kanadier mit Autogrammen geben und einer One-man-one-guitar-Einlage („Deadhead“, „Life“), nachdem sich zumindest Mikrophon und Gitarre zeitgleich wieder abnehmen lassen. Davor überrascht Townsend mit einem ehrlichen Monolog, wie unwohl er sich gerade auf der Bühne fühlt – er, der seit Jahrzehnten Konzerte gibt. Trotz all seiner Albernheiten und einer Diskographie von 25 Platten, der Mann ist eben nicht nur Profi, sondern auch Mensch. Nach einem halbstündigen Blackout der Technik geht die Show mit einer Dynamik weiter, als hätte es die lange Unterbrechung nie gegeben. Townsend macht sein Versprechen, erst dann von der Bühne zu gehen, wenn alle Songs gespielt sind, wahr; mit dem Publikumsliebling „Supercrush!“ und dem groovig-schleppenden „March Of The Poozers“ liefert das DEVIN TOWNSEND PROJECT Hits vor dem Herren ab, ehe dieses ungeahnt intime wie mitreißende Konzert sein Ende findet.

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Die Zusammenstellung einer solchen Tour funktioniert nicht nur auf dem Papier, sondern auch wahrhaftig live. Mag man sich auch am Special Guest BETWEEN THE BURIED AND ME stören, passt dieser dennoch in die Marschrichtung der anderen beiden Bands: Immer vorwärts, auf ins Unbekannte, keine Scheu vor nichts. Was bei LEPROUS besonders gefühlvoll, magisch bis episch dargestellt wird, äußert sich bei BETWEEN THE BURIED AND ME eher in abstrakten Bahnen. Das DEVIN TOWNSEND PROJECT hingegen scheint einfach nur alles richtig zu machen, um einen Song dynamisch, eingängig und einzigartig werden zu lassen.

 

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