NATHAN GRAY hat mehr zu sagen als in seiner Rolle als Frontmann von Boysetsfire. Dies zeigt beispielsweise sein Projekt I Am Heresy, bei dem es deutlich härter zur Sache geht. Auf seiner EP „NTHN GRY“ präsentiert der charismatische Sänger hingegen seine elektronische Seite, die jedoch nicht weniger bewegend klingt. Unter dem Banner NATHAN GRAY COLLECTIVE erscheint nun Anfang 2017 das durch Crowdfunding finanzierte Solodebüt „Until The Darkness Takes Us“. 13 Stücke lang geht NATHAN GRAY darauf gemeinsam mit Daniel E. Smith den Weg der EP konsequent weiter. Das Ergebnis ist eine Mischung aus Darkwave-Synthesizern, Industrial-Beats und rockigen Elementen, über die bedrückende, persönliche Texte gesungen werden. NATHANs charismatische Stimme verleiht „Until The Darkness Takes Us“ dabei seinen besonderen Charakter.
Textlich thematisiert NATHAN GRAY, aufgewachsen als Pfarrerssohn, seine antireligiöse Haltung und damit einhergehende soziale sowie persönliche Ungerechtigkeiten. Nachdem „Heathen Blood“ das Album mit flächigen Synthies und einem melancholischen Klavier eröffnet, dominieren den Opener schnell klassische Rock-Schemata. In die gleiche Kerbe schlagen auch „Lusus Naturae“ sowie „Jettison“: Zwar sind hier elektronische Elemente und Synthieklänge eingewoben, davon abgesehen würden diese Nummern aber auch auf einem Boysetsfire-Album nicht auffallen. Allerdings fehlt es den Gitarren in der Produktion oft an Durchsetzungskraft.
Ganz im Gegensatz dazu zeigen NATHAN GRAY COLLECTIVE mit Liedern wie „Desire“ oder „At War“, dass sie auch Industrialsongs schreiben können. Neben einer bedrückenden, nahezu klinischen Stimmung beeindrucken die beiden Musiker hier mit verstörenden elektronischen Klängen. Da NATHAN auf „Until The Darkness Takes Us“ mit Ausnahme von „At War“ auf Geschrei verzichtet, wirkt der Einsatz dieses Stilmittels an dieser Stelle umso intensiver. Alles andere als schlecht, aber nicht immer überzeugend geraten die Ausflüge Richtung Darkwave. Die Kombination von Akustikgitarre und Elektronik in „Set Up“ funktioniert zwar, das Lied gerät allerdings, auch in den Gesangsharmonien, recht unspektakulär. „Memento Mori“ gefällt als astreiner elektronischer Darkwave-Song, inklusive Spoken-Word-Samples und Kraftwerk-Stimmverzerrung dafür umso besser.
Diese Tendenz zwischen Höhepunkten und weniger überzeugenden Momenten durchzieht „Until The Darkness Takes Us“. Die einzelnen Songs warten mit wunderschönen Momenten auf, wie sich auch an der kitschigen, dennoch absolut überzeugenden Rockballade „Anthemic Hearts“ zeigt. Obwohl oder vielleicht auch weil NATHAN GRAY COLLECTIVE verschiedenen Variationen eines Genres liefern, will sich auf ihrem Debüt kein rechter Albumfluss einstellen. „Until The Darkness Takes Us“ ist weit von einer schlechten Scheibe entfernt und kann alleine durch NATHAN GRAYS emotionalen Gesang und seine mitreißende Stimme beeindrucken. Mit ein bisschen mehr Finesse im Songwriting kann hier allerdings noch einiges an Potential herausgekitzelt werden.
Wertung: 7 / 10