Spätdyskinesien (auch: -dyskinäsien, dt. „verspätete motorische Störung“, syn. Tardive Dyskinesie bzw. Dyskinesia tarda, aus dem französischen dyskinésie tardive) sind Bewegungsstörungen, häufig im Gesichtsbereich (Zuckungen, Schmatz- und Kaubewegungen), beispielsweise Akathisie, Grimassieren oder unwillkürliche Bewegungsabläufe der Extremitäten (Hyperkinesen), die als möglicher Schaden nach längerem Gebrauch von Neuroleptika auftreten können. Sie werden zu den extrapyramidalen Hyperkinesien gerechnet. Die Spätdyskinesien sind nach langfristigen Therapien mit Psychopharmaka häufig irreversibel und sprechen auch auf Antagonisten wie Betablocker nicht an. [1]
Wer bis hier gelesen hat, hat zumindest schon einmal sein Fachwissen in Medizin aufgestockt. Wozu und vor allem: Warum hier? mag nun der eine oder andere fragen. Zumindest die Antwort auf zweitere Frage ist einfach: Weil fünf Athener TRADIVE DYSKINESA als den perfekten Namen für ihre Band erachtet haben.
Ein neuerliches „Warum?“ lässt sich so einfach nicht mehr beantworten – beschäftigt man sich jedoch mit dem aktuellen, nunmehr fünften Album der Griechen, lassen sich Vermutungen anstellen. Dass der auf dem Cover dargestellte Mensch aussieht wie eine völlig entnervte Version der auf King Crimsons „In The Court Of The Crimson King“ dargestellten Fratze mag damit ebenso zu tun haben wie die Tatsache, dass die Musik von TRADIVE DYSKINESA mitunter tatsächlich nach motorischer Störung klingt – aber das im besten Sinne.
Denn was TARDIVE DYSKINESIA mit „Harmonic Confusion“ abliefern, ist eine ausgewogene Mischung aus rockigen Elementen und progressivem Metal mit kräftigem Djent-Einschlag im Stile der Schweden Meshuggah: Vertrackte Polyrhythmik und groovige Riffs treffen hier auf flinke, zweistimmige Gitarrenläufe und raffiniert arrangierte Wechselspiele zwischen rohem, aber mit viel Stimme angereichertem Schreigesang und gekonnt eingesetztem Klargesang. Von Jens Bogren (Katatonia, Opeth, Paradise Lost, Leprous, etc.) gemastert und in einen griffigen Sound gepackt, bei dem gerade die Gitarren durch viel Wucht, aber ebenso viel Prägnanz im Klang zu gefallen wissen, ergibt das eine flotte Kombination, die gut zu gefallen weiß.
Dabei gelingt TARDIVE DYSKINESIA, was Meshuggah schon seit einiger Zeit nicht mehr hinbekommen: „Harmonic Confusion“ bleibt trotz einer klaren Linie hinsichtlich der stilistischen Orientierung über seine gesamte Spielzeit von immerhin stolzen 55 Minuten spannend. Mal mit Cello („Thread Of Life“) ausgeschmückt, mal betont rockig („Savior Complex“) und durch die Vielfalt im Gesang immer wieder von gänzlich anderem Charakter, hat die sowieso schon vertrackte, vielseitige Musik von TARDIVE DYSKINESIA bei konstant hohem Niveau auch noch jede Menge großartige Einzelmomente zu bieten.
„Harmonic Confusion“ klingt vielseitig, energiegeladen und erfrischend eigenständig. Wer auf rhythmisch komplexen Prog-Rock steht, ist mit TARDIVE DYSKINESIA definitiv gut beraten. Aber auch alle Fans der härteren Gangarten Mathcore oder Djent können hier dank diverser Anleihen aus diesen Genres ebenfalls ein Ohr riskieren – so sie rockigeren Klängen zumindest nicht ganz abgeneigt sind: Eleganter als TARDIVE DYSKINESIA kann man sich im Grenzbereich dieser Genres kaum bewegen.
[1] Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Sp%C3%A4tdyskinesie
Wertung: 8.5 / 10