Review Klimt 1918 – Sentimentale Jugend

Wenn man sich trotz der Widrigkeiten des Alltags, der täglichen Lohnarbeit und den Anforderungen der sozialen Umwelt dazu entschließt, in einer Band zu spielen, braucht es Standhaftigkeit, Durchhaltevermögen und Leidenschaft. Dass es daher acht Jahre gedauert hat, bis KLIMT 1918 den Nachfolger zu „Just In Case We’ll Never Meet Again“ veröffentlichen, verwundert nicht. Wenn man dabei beachtet, dass sich die vier Römer dazu entschieden haben, zwei Alben, die ein thematisches Ganzes ergeben, gleichzeitig zu veröffentlichen, verwundert es noch weniger. Bereits der Titel „Sentimentale Jugend“ verweist durch den Bezug auf die gleichnamige Noiseband von Alexander Hacke und Christiane F. auf die Faszination Berlin, die als Grundgerüst dient.

KLIMT 1918 präsentieren auf „Sentimentale Jugend“ eine Mischung zwischen den sehnsüchtigen Post-Rock-Arrangements von Aereogramme, dem Synthesizer-lastigen Popappeal der Pet Shop Boys und einer ordentlichen Prise New Wave im Stil von New Order, ohne dabei shoegazeige Elemente à la Jesus And The Mary Chain auszusparen. In anderen Worten: KLIMT 1918 spielen Dream Pop des 21. Jahrhunderts, der nicht mit Reminiszenzen an die 80er und 90er spart und stellenweise auch an die 60er erinnert.

„Montecristo“ eröffnet „Sentimentale“ sehr eingängig und verträumt mit trommelnden Rhythmen, flächigen Gitarren und Synthies und verhalltem, hohen Gesang. Über allem liegt eine melancholische, vernebelte Stimmung, die sich im folgenden „Commandante“ noch deutlicher bemerkbar macht. „La Notte“ fällt mit seinem italienischen Gesang auf, während „Belvedere“ mit seinem stärkerem Indieeinschlag gerade in seiner Geradlinigkeit gefällt.  Das Berlin-Cover „Take My Breath Away“ hätten KLIMT 1918 gar nicht notwendig gehabt, was sich besonders im starken letzten Song „Gaza Youth (Exist/Resist)“ zeigt, das mit seinen Samples am Anfang wie ein leeres Feld im Ersten Weltkrieg im Regen klingt, was auch durch den knarzigen Bass und sachte elektronische Elemente extrem stimmig wirkt.

In „Jugend“ setzen KLIMT 1918 mit ihrer Grundstimmung nahtlos an die erste Hälfte an. „Nostalghia“ erinnert mit seinen flirrenden Gitarren stark an The Unwinding Hours, während „Sant’Angelo“ eine weitere straighte Indienummer darstellt, die hintenraus schön krachig wird. Mit dem Einsatz von Trompeten am Ende von „The Hunger Strike“ kommt schließlich ein spezieller Charakter in das Album, der an Beirut erinnert und auch durch die Rückkehr der Trompeten im krachigen Beginn von „Resig/Nation“ begeistert. In der zweiten Hälfte des Albums erzeugt „Jugend“ einen überzeugenden Fluss, während ansonsten zwar eine durchgehende Stimmung dominiert, viele Songs allerdings doch auch austauschbar wirken. Mit dem epischen Abschluss, der von italienischen Samples gesäumt ist, beweist sich „Jugend“ als das stärkere der beiden Alben– der kompaktere, energetische Ansatz, der von ruhigen Momenten konterkariert wird, steht KLIMT 1918 deutlich besser zu Gesicht.

Warum KLIMT 1918 dieses de facto Doppelalbum einzeln verkaufen und lediglich in einer speziellen Edition zusammen in die Regale stellen, ist aufgrund der sehr ähnlichen und vor allem stimmigen Ausrichtung schwer nachzuvollziehen. Dennoch wirken aufgrund der Menge an Material einzelne Nummern, auch wenn sie sehr bewusst auf Wiederholungen und Atmosphäre angelegt sind, oft recht gleichförmig, was auch im Gesang festzustellen ist. Auch wenn beide Alben auf eine durchgehende Atmosphäre setzen, wirken die Songs dennoch getrennt in ihrer Ähnlichkeit, ein wirklicher Fluß stellt sich nicht ein. Trotz dieser Längen und der Wiederholung von Liedstrukturen sowohl bei „Sentimentale“ als auch bei „Jugend“ erzeugen KLIMT 1918 auf ihren ersten Alben seit acht Jahren doch eine fesselnde, verträumte, melancholisch-hoffnungsvolle Atmosphäre, die sie von vielen Musikern im Post-Rock abhebt.

Wertung: 7.5 / 10

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Ein Kommentar zu “Klimt 1918 – Sentimentale Jugend

  1. 10 Punkte und kein Pünktchen weniger ist dieses epische Meisterwerk meiner Meinung nach wirklich wert…es ist einzigartig in Atmosphäre, Spirit und Dynamik…8 Jahre gereift wie der beste Rotwein…mann sollte es nachts beim Autofahren oder mit Köpfhörern mehrmals anhören…mann kann es weder mit seinen Vorgängern vergleichen noch mit anderen Bands…die Römer haben hier das ALBUM DES JAHRES 2016 geschrieben…unbemerkt vom momentanen Trend um Shoegaze und Postrock…KLIMT wird immer eine Band für Liebhaber sein…die es schaffen ein Album wachsen zu lassen und darin einzutauchen…in 10 Jahren werden viele erst verstehen das dies ein Klassiker ist…und ich hoffe auf eine VINYL Version mit 3 LP’s…da ja die Spieldauer selbst für eine Doppel-LP zu lang ist mit 100 Minuten…lt. Nachfrage bei PROPHECY warum es aktuell keine Vinylversion zu kaufen gibt….in diesem Sinne KLIMT FOREVER

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