Review Derealized – Isolation Poetry

  • Label: Finisterian Dead End
  • Veröffentlicht: 2016
  • Spielart: Extreme Metal

Welche Bands kommen einem als Erstes bei dem Genre Progressive Extreme Metal in den Sinn? Ne Obliviscaris? Oceans Of Slumber? Wer bei dieser einleitenden Frage an die beiden genannten Bands denken muss, sollte seine Gedanken lieber frei machen, denn von der leichtfüßigen Verspieltheit jener beiden Ausnahmeformationen ist bei den Franzosen DEREALIZED kaum etwas zu merken. Geschmeidige Clean-Vocals oder gar emotionale Geigenarrangements sucht man auf deren Debüt „Isolation Poetry“ nämlich vergebens. Stattdessen macht das Quartett, das wie Oceans Of Slumber von einer Frau am Mikro angeführt wird, vor allem durch eines auf sich aufmerksam: kompromisslose Brutalität.

Die lässt bei DEREALIZED nämlich nicht lange auf sich warten. Nach einer kurzen mysteriösen Einleitung aus Gitarre und Bass lassen die Franzosen auf dem Opener „Devil’s Got Green Eyes“ auf einen Schlag die Hölle los. Knochenbrechende Riffs, fleischzerfetzende Double-Bass- und Blast-Exzesse sowie die monströsen Screams von Myriam Fischer sind von nun an für knapp eine Stunde lang der ständige, gewalttätige Begleiter. Abgesehen von ein paar vereinzelten Ausnahmen wie zum Beispiel dem düsteren Akustik-Interlude „Cover My Eyes…“ oder den ersten paar bedrückenden Tönen in „Derealized“ ist „Isolation Poetry“ eine unglaublich brachiale Platte.
Das liegt jedoch nicht nur an der Musik per se, sondern auch an der unfassbar druckvollen Produktion, die trotz aller Wucht jedes Instrument – sogar den Bass – glasklar und organisch klingen lässt. Doch nicht nur das „Extreme“, auch das „Progressive“ haben DEREALIZED zu Recht in ihrer Genre-Kategorisierung. So brutale, dabei aber dennoch technisch anspruchsvolle Songs zu schreiben und zu spielen, gelingt wahrlich nicht jeder Band. Bei so viel Variation in Rhythmik und Komposition verwundert es nicht, dass DEREALIZED mit ihren Tracks schon mal die Neun-Minuten-Marke ankratzen.
Genau das könnte jedoch auch der Grund dafür sein, dass das Quartett bedauerlicherweise immens viel Potential verspielt. Außer „A Late Letter“ mit seinen diabolisch bösen Leads und Tremolo-Riffs findet sich nämlich kaum ein Song, der in Erinnerung bleibt – auch nicht nach mehrmaligem Hören. Daran ist wohl auch der Schreigesang nicht ganz unschuldig, denn obgleich er gut zur aggressiven Instrumentalisierung passt, mangelt es ihm doch vehement an Abwechslung und Ausdruckskraft. Dasselbe gilt letztlich auch für die Musik im Ganzen, DEREALIZED hätten sich wirklich mehr einprägsame Melodien einfallen lassen sollen. Das hätte dem allgemeinen Härtegrad schließlich auch keinen Abbruch getan.

Den Grundstein für großartige, extreme Musik haben DEREALIZED mit ihrem ersten Album gewiss gelegt, in puncto Härte und Spieltechnik macht den Franzosen niemand so schnell etwas vor. Trotz seiner vielen guten Aspekte ist „Isolation Poetry“ jedoch arg schwer zugänglich. Bei all dem Geprügel bleibt momentan einfach noch zu sehr die Stimmung auf der Strecke, es verhält sich ähnlich wie mit dem Artwork: Das Motiv ist durchaus eindringlich, die Umsetzung jedoch zu künstlich, zu steril, um wirklich Atmosphäre zu erzeugen.

Wertung: 6.5 / 10

Publiziert am von Stephan Rajchl

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