Interview mit Dobber Beverly von Oceans Of Slumber

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Im März erregten die Texaner von OCEANS OF SLUMBER mit der Veröffentlichung ihres neuen Albums „Winter“ im progressiver ausgerichteten Teil der Metalszene Aufsehen. Die vielseitige Platte, auf der erstmals die neue Sängerin Cammie Gilbert zu hören war, kam bei Musikliebhabern und -kritikern gleichermaßen sehr gut an. Es folgten Touren mit My Dying Bride und die Band spielte als Support-Act für Enslaved und Ne Obliviscaris. Wir haben Schlagzeuger, Pianist und Songwriter Dobber Beverly im Oktober beim Konzert in München getroffen und mit ihm über ihr neues Werk, ihre Art Musik zu machen und die sozial-politische Lage für Metalbands in ihrer konservativen Heimat Texas gesprochen.


Wie war eure Tour bisher?
Sie war gut. Sie war hektisch, wegen Zeitplänen und solchem Zeug. Wir mussten früh bei den Veranstaltungsorten sein, kamen spät heraus und mussten dann noch fahren. Da wir eigenverantwortlich sind, ist es mehr Aufwand, weil wir keine Crew oder sowas haben. Es ist gleichzeitig leicht, hektisch und schrecklich.

Euer neues Album “Winter” ist seit März erhältlich. Wie war die Resonanz bisher so?
Die war fantastisch. Ich denke, es wurde genau so aufgenommen, wie wir das gebraucht haben. Wir haben alle eher einen Old-School-Hintergrund und -Stil. Wir mögen die Platte natürlich sehr, aber wenn du so etwas veröffentlichst, hast du keine Ahnung, wie die Leute es aufnehmen werden und bisher war es sehr gut. Jeder kann sich gut einfühlen. Wir sind eine emotionale Band, wir sind eine Band aus echten Leuten, wir reden und spielen über echtes Zeug. Daher schreiben wir auch von diesem Standpunkt aus. Also ja, die Resonanz war großartig.

Seit eurem letzten Album war die größte Veränderung der Beitritt eurer neuen Sängerin, Cammie Gilbert. Wolltet ihr durch eine Sängerin euren Stil verändern oder war die Musik schon fertiggeschrieben und ihr habt sie erst im Nachhinein integriert?
Ich wollte sowieso von Anfang an eine Sängerin in der Band haben. Ich bin ein riesiger The-Gathering-Fan. Aber es gibt einen Unterschied zwischen einer Heavy-Metal-Sängerin und einer Southern-/Blues-/Gospel-Sängerin. Als sie beitrat, hat sie erst mal die Lyrics überarbeitet, die wir geschrieben hatten. Sie hat in Sachen Gesang ihr eigenes Ding gemacht, aber was die Richtung angeht, in die wir gegangen sind, darauf hatte sie absolut keinen Einfluss, weil die Scheibe schon ungefähr ein Jahr vor ihrem Beitritt fertig war.

Der Unterschied zwischen “Aetherial” und “Winter” ist, dass “Aetherial” ein Herumprobieren war, was wir vier zusammen schreiben konnten. Wir haben nur herumgespielt und haben geschaut, was dabei herauskommt. “Winter” fokussiert sich auf eine bestimmte Auswahl an musikalischen Ausdrücken. Wir sind immer noch in der Lage, dieses ganze Death-Metal- und technische Zeug zu spielen. Das ist einfach Zeug, das wir können, aber wir wollten uns viel mehr aufs Songwriting und aufs Erschaffen einer Stimmung fokussieren. Es ist wie eine Art Kino, wie Kulissen und Szenen aufzubauen. Sogar auf unserer neuen Platte, mit der wir bereits teilweise fertig sind, weichen wir vielleicht weiter in synkopierte und technische Richtungen ab, aber nur deshalb, weil das Material es verlangt, nicht weil wir selbst das brauchen. Darum geht es in dieser Band. Die Erweiterung unseres Vokabulars erlaubt Ausdruck, sie erlaubt Vermittlung. Wir versuchen eine emotionale Bindung mit uns selbst und der Musik aufzubauen, die wir spielen und die wir hören.

Das Album selbst ist sehr vielseitig, was die Musikstile darauf angeht. Der Titel dagegen ist kurz und simpel. Was war die Idee dahinter?
Die Idee hinter dem Albumtitel war, dass Winter die kälteste Zeit des Jahres ist. Die Jahreszeiten wechseln. Es ist so, als würde man darauf hinarbeiten. Wenn der Frühling wieder zurückkommt, ist es wie eine Erleichterung. Alles ist mild und die Luft ist frisch. Es ist nicht wie diese bedrückende Decke aus Trostlosigkeit, die der Winter ist. Wenn also der Winter kommt, dann schneit es, man hasst ihn und er ist verdammt schrecklich. Aber “Winter” war als ein Abschnitt im Leben einer Person gemeint. Es sollte den dunkelsten Moment oder die dunkelste Zeit im Leben bedeuten. Während man am Leben ist und Beziehungen mit anderen Menschen führt und alles andere tut, was man als Person halt so macht, merkt man, dass man oft durch viele dunkle Zeiten hindurch muss und diese dich viel mehr definieren. Wann immer du nur umherdümpelst und alles gut läuft, verstreicht einfach deine Zeit, ohne dass du dich veränderst oder weiterentwickelst. Deine Perspektive wird davon nicht so sehr beeinflusst, dass sich in deinem Leben deine Sicht auf und deine Gefühle für alles um dich herum verändern. “Winter” soll genau das bedeuten, es geht nicht um Schnee und Kälte. (lacht)

Zu deinem Schlagzeugspiel: Du hast diese eher komplexen, sanften, fast schon jazzigen oder bluesigen Parts und dann aber auch diese simplen, aber wirklich schnellen Blastbeat- und Doublebass-Teile des Death- und Black-Metal-Schlagzeugspiels. Welcher dieser Stile braucht mehr Übung?
Die Arbeit liegt in der Komplexität. Schlagzeuger streben und kämpfen, um sich einen bestimmten Touch anzueignen und es ist nicht so, dass ich damit fertig bin, einen solchen zu finden. Aber glücklicherweise habe ich meinen Platz und dieses Steve-Gadd-eske Groove-Schlagzeugspiel gefunden, mit etwas, das man heutzutage „Gospel Chops“ nennt, obwohl ich so weit von Gospel entfernt bin, wie man nur sein kann. Vor ungefähr zehn Jahren fing ich an, mich sehr für Latin, Jazz, Dave-Weckl- und Jojo-Mayer-Schlagzeugstil zu begeistern, sogar für experimentelles Drum-‘n‘-Bass-Zeug. Ich bin nicht gerade ein großer Fan von elektronischer Musik, aber ich liebe das Schlagzeugspiel und die Live-Schlagzeuger. Was das Lernen angeht, ist das das absolut schwerste Zeug. Das am leichtesten zu lernende ist das schnelle Zeug, aber es ist das am schwersten aufrechtzuerhaltende, wegen solcher Dinge wie der klaren Trennung der einzelnen Noten und allem, das damit zu tun hat. Ich verbringe nicht mehr so viel Zeit damit als früher. Ich überlasse meiner technischen Seite so gut es geht den Vorrang. Aber ich habe auch zwanzig Jahre lang Death Metal und Grindcore gespielt.
Ich spiele in einer anderen Band namens Insect Warfare – unfassbar schneller Grindcore, wir waren im Juli Headliner auf dem Obscene-Extreme-Festival in Tschechien – und dorthin zurückzukehren und diese Musik spielen zu müssen hat mir wieder klargemacht, wie viel Zeit es benötigt, diese Art zu spielen aufrechtzuerhalten. Ich bin kein festgefahrener, moderner Death-Metal-Schlagzeuger. Ich spiele nicht viel mit meinen Fingern. Ich hatte Operationen an beiden Händen, also kommt bei mir alles von woanders her. Es kommt alles mehr aus dem Körper. Es ist so wie Mikael Åkerfeldt vor Jahren mal gesagt hat. Jemand meinte, dass sein Death-Metal-Gesang seine Stimme zerreißen müsste und er [Åkerfeldt] sagte, dass es eigentlich viel schwieriger für ihn ist, clean zu singen und es ist auch schlimmer für ihn. Der Death Metal ist die leichtere Sache. Wenn ich mich nur hinsetzen und Extreme Metal spielen müsste, dann wäre das einfacher als eine dynamische Spannweite von null bis zehn zu haben. Wenn von dir nur erwartet wird, beispielsweise auf dem Level neun von zehn zu spielen, dann ist alles, was du tun musst, schnelle Skank-Beats und solches Zeug zu spielen. Das ist nur ein Aspekt. Aber wenn ich das alles vereinen muss, ist das sehr erschöpfend. Es verlangt mir viel ab.

Spielt ihr oder spielst du mit einem Metronom auf dem Ohr?
Nein, absolut nicht, obwohl ich es nachvollziehen kann. Ich fühle mich in Sachen Timing sehr wohl, aber wir gehen auch auf die Bühne und spielen einen Song an einem bestimmten Abend mal schneller oder mal langsamer, abhängig davon, wie wir uns fühlen. Ich will das so. Ich will die Intensität und die Echtheit des Spielens und ich will meine Bandkollegen und mich nicht auf den Clicktrack angleichen, weil ich nicht will, dass uns irgendwas zurückhält oder einschränkt.

Ihr habt auf “Winter” den Song “Nights In White Satin” von Moody Blues gecovert. Warum habt ihr euch dazu entschieden, dieses Stück für das Album aufzunehmen?
Erstens ist der Song wunderschön, es ist ein unfassbar großartiger Song. Wir alle haben so ziemlich die letzten 30 Jahre diesen Song gehört. Zweitens passt er zum Albumthema. Aussichtloser Verlust der Liebe, Bedürfnis, Verlangen. Die Platte verkörpert das für uns so gut. Die Kernmitglieder – Keegan, Anthony, Sean und ich selbst – sind alle riesige Type-O-Negative-Fans. Type O Negative haben auf jedem Album einen fantastischen Coversong und um quasi diese Tradition aufrechtzuerhalten, wollte ich das gleiche machen. Ich mag das sehr. Wir alle lieben Musik so sehr. Songs zu interpretieren ist etwas, was wir sehr gerne machen. Wenn es jemals einen Song gegeben hat, den du gehört und dir dann gewünscht hast, dass du ihn geschrieben hättest, dann würdest du ihn liebend gerne spielen. Oder du hörst einen Song und denkst dir „Also ich höre ihn auf diese Art und Weise!“ und du willst ein paar Änderungen vornehmen. So machen wir das.
Ihr kommt aus Texas, das den Ruf hat, sozial und politisch sehr konservativ zu sein. Hat euch das jemals Probleme oder Schwierigkeiten bereitet?
Politisch und sozial waren wir überhaupt nicht betroffen. Das religiös-elitäre Denken gibt es nicht mehr wirklich, das ist auf die Seite gewichen. Die rassistischen Spannungen sind eher ausgeglichen. Ich meine, unsere Sängerin ist schwarz. Nur der Abschaum auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner ist ein Zufluchtsort für solches Gedankengut. Houston ist eine stark afroamerikanisch geprägte Stadt. Ein Drittel unserer Bevölkerung ist weiß, ein Drittel ist schwarz und das andere Drittel sind Amerikaner mit spanischer und asiatischer Herkunft. Es ist tatsächlich die vielseitigste Großstadt der Welt, glaube ich, was verrückt ist. Zwischen all den Leuten dieser Welt, die hier leben – was viele sind, unsere Einwohnerzahl ist knapp sieben Millionen – ist der konservative Teil der schlimmste.

Ich kann einigen konservativen Werten zustimmen, wie Familienstruktur und solchen Sachen, aber ich bin sicherlich nicht gegen Schwule oder gegen Abtreibungen, denn das sind für jeden persönliche Entscheidungen. Das geht niemanden sonst etwas an. Aber ich denke es ist gut, wenn die Familie intakt ist und funktioniert. Ich mag es wenn eine Mutter und ein Vater ein Kind haben, oder ein Vater und ein Vater, oder eine Mutter und eine Mutter. Wenn du Familienwerte predigst, ist das super. Wenn du Hass und solchen Unsinn predigst, dann verpiss dich! Aber wir haben uns damit nie befassen müssen. Das ist eher in den ländlichen Gegenden so, ich bin mir sicher, hier in Deutschland ist das genauso. Man geht in die ländlichen Gegenden, wo die Menschen älter sind und abgekapselt leben und die hassen dann vermutlich Flüchtlinge, wie sie hier Nicht-Amerikaner hassen. Wir haben das, aber es ist viel mehr Gerede als tatsächliches Handeln.

Vielen Dank für deine Zeit und Antworten – zum Abschluss ein kurzes Brainstorming:
Winter: Depression.
Lieblingsfilm: “The Fountain” und “The 13th Warrior”, kommt auf meine Stimmung an.
Donald Trump: Verdammter Idiot! (lacht)
ZZ Top: Ähm… Bier. (lacht)
Lieblingsalbum von 2016: Evergrey – The Storm Within

Die letzten Worte gehören dir:
Danke für das Interview. Danke, dass ihr unser Album anhört. Ich hoffe, wir schaffen es zu euch nach Hause und dass die Leute das, was wir machen, verstehen und Zugang dazu finden. Wir sind eine echte Live-Band, eine echte, emotionale, atmende Maschine auf der Bühne!

Publiziert am von Simon Bodesheim

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