Interview mit Ernie Fleetenkieker von Krachmucker TV

Die Black-Metaller kannten ihn als Fronter von Fäulnis, unter seinem Pseudonym Seuche war er den Metal1.info-Lesern zudem als Kolumnist ans Herz gewachsen. Nun hat Seuche als Ernie Fleetenkieker den YouTube-Channel KRACHMUCKER TV ins Leben gerufen. Im Interview sprachen wir mit ihm über sein neues Leben im Kreise der Influencer, Metal auf YouTube und den Status Quo bei seiner Band Fäulnis.

 

Erst hattest du hier bei Metal1.info eine vielgelobte Kolumne, jetzt mit KRACHMUCKER TV einen eigenen YouTube-Kanal. Wo siehst du die Unterschiede, letztendlich dann aber eben die Vorteile des Video-Formates?
Moin erstmal! Fangen wir mal von vorne an, der Vorteil der Kolumne war, das wird mir hier nach jedem Video immer wieder bewusst, ich kann solange an einem Text feilschen, bis er für mich perfekt ist und selbst wenn mir Fehler unterlaufen, können diese auch nachträglich ausgebessert werden. Wenn ich in einem Video sage, Godkiller kommen aus Italien anstatt aus Monaco – und das fällt erst auf, wenn das Video hochgeladen ist… dann ist das so, dann kann ich das in den Kommentaren oder der Beschreibung berichtigen, aber das liest natürlich keiner. Außerdem ist freies Reden viel, viel schwieriger, als mit Zeit im Stillen einen Text zu schreiben.

>> Lest hier alle Teile der Kolumne!

Die Vorteile der Videos liegen für mich in der Gestaltung und der Art, wie man etwas rüberbringen kann. Ich kann alles um das jeweilige Video-Thema ausschmücken, da gibt es unendlich viele Möglichkeiten. Bei der Kolumne habe ich den Text und vielleicht ein paar Bilder drumherum, das hat mir irgendwann nicht mehr gereicht. Es ist auch die von mir schon oft erwähnte Herausforderung. Es ist sehr zeitaufwändig und anstrengend, aber auch alles neu und spannend, ich muss sagen, zurzeit erfüllt mich das Video-Ding künstlerisch einfach mehr als die Kolumne.

Youtuber sind eigentlich eher als Kleine-Mädchen-Influencer für Beauty-Tipps und dergleichen ein großes Ding. Siehst du einen „Markt“ für Metal auf Youtube, abseits des Parabelritters?
Klare Antwort auf die Frage: Nein! YouTube besteht nicht nur aus Beauty-Tipps und Fake-Pranks, aber das sind nun einmal die Themen, die mit am meisten Interesse erzeugen, am meisten Klicks generieren und somit für Firmen, die Werbung schalten, das interessantere Publikum haben – junge beeinflussbare Leute zwischen, keine Ahnung, 10 und 16. Auf der anderen Seite ist YouTube, nüchtern betrachtet, eine Plattform, wo jeder Videos hochladen kann. Es gibt ja neben dem ganzen Müll auch tolle Kanäle. Und da muss man halt zusehen, wie man sein Publikum findet. Einen „Markt“ gibt es deshalb nicht, weil die Klicks und damit verbundenen Werbeeinahmen, Reichweite bla bla bla im Metal-Kontext ein Witz sind, sprich, über Klicks verdienst du einfach nichts. Aber ich habe vor 15 Jahren ja keine Black-Metal-Band gegründet, weil ich Geld verdienen, sondern mich künstlerisch entfalten wollte. Und jetzt mit KRACHMUCKER TV ist das nichts anderes.

Wie kam dir die Idee zum Kanal?
Wer meine Videos schaut oder die paar Interviews mit mir gelesen hat, weiß das mittlerweile. Ich brauchte so Ende 2016 was Neues, eine neue Herausforderung, etwas abseits der Musik, von der ich immer mehr genervt war. Das ganze Drumherum, das Business, was selbst im Underground schon unerträglich ist. Und das andere Ding ist, mir fiel auf, dass es insbesondere auf Deutsch nichts im Bereich Metal gab oder gibt, was annährend die alten Metal-Shows wie Metalla oder Headbangers Ballroom ersetzt hat. Klar, das Format mit Videoclips ist in Zeiten von YouTube uninteressant, aber alles, was ich gefunden habe, waren langweilige Interviews, innovationslose Versuche von großen Magazinen, auf YouTube Fuß zu fassen. Funfact: Mein erster Plan war ja, mit einem Kollegen einen Pfeife-Rauchen-Channel zu gründen, da gabs aber dann irgendwie schon alles. Danach kam mir erst die Idee, was mit Metal zu machen.

Wie hebst du dich von anderen Metal-Youtubern ab, was macht KRACHMUCKER TV aus?
Das weiß ich nicht, das müssen andere beurteilen. Aus einem anderen Interview kopiert: „Norddeutsche Schnauze, nicht immer ganz lupenrein aber hoffentlich jede Woche ein spannendes neues Thema… vielleicht so?“ Was ich schade finde, ohne da jemanden direkt anzusprechen, ich hatte ja in einem meiner Videos die Frage gestellt, warum es um die deutsche Metal-YouTube-Szene so dünn bestellt ist, leider fehlt da irgendwie sowas wie eine auf Strecke anhaltende Kreativität. Es gibt da ja Leute, die vor der Kamera sympathisch rüberkommen, aber sobald es nicht um Festival-Berichte, die fast immer alle gleich sind, Backstage-Interviews oder Alben-Reviews geht, 0815-Magazin-Themen also, scheints vielen einfach an Ideen zu mangeln. Und gerade private Personen müssen sich ja eigentlich um nichts scheren, die können machen, was sie wollen. Bei großen Magazinen steht sich vielleicht ein großes Team selbst im Weg, aber als Einzelperson kann man einfach loslegen. Nicht zu großkotzig verstehen bitte, meine Inhalte sind eigentlich alles andere als innovativ und ich mach das erst knapp über ein halbes Jahr, da muss ich erstmal langen Atem beweisen, aber irgendwas scheine ich ja anders zu machen…

Ein Grund dafür, dass sich wenige Mühe in diesem Bereich geben, ist wohl auch einfach, dass im Verhältnis sehr wenig zurückkommt. Ich arbeite eine Woche an einem Video, schneide zwischen 6 und 8 Stunden dran und habe, was für Metal-YouTube-Verhältnisse enorm ist, 2.500 Klicks. Der YouTuber Tanzverbot packt vor der Kamera seinen Lidl-Einkauf aus, eskaliert 5 Minuten, 250.000 Klicks. Kann man jetzt vielleicht nicht vergleichen, aber plakativ dargestellt ist es einfach so.

In der Sendung trittst du als Ernie Fleetenkieker auf. Wieso ein Pseudonym?
Das kommt aus den Anfangszeiten, da hatte ich vor, die ganze Nummer mit einer vollkommen überzogenen Norddeutsche-Arschloch-Kunstfigur durchzuziehen, siehe das Vorstellungs-Video. Fand ich auch super, aber es war sehr schnell klar, dass das irgendwie nicht funktioniert hätte, gerade, wenn ich Videos mache, wo ich einfach aus dem Nähkästchen plaudere. Da hätte ich mir irgendwann selbst im Weg gestanden.

Und warum ausgerechnet Ernie Fleetenkieker?
Ach, hab‘ mir da jetzt gar nicht so große Gedanken drüber gemacht. Ernie ist ein Running-Gag hier, meine bessere Hälfte ist Bert. Ich mache den ganzen Tag nur Blödsinn und sie guckt dementsprechend. Fleetenkieker ist ein mir sehr genehmer Pfeifentabak.

Ich hätte erwartet, dass es bei Youtubern vornehmlich um die Person geht, mit der sich die Zuschauer identifizieren sollen (eben als Influencer). Warum hast du dich dafür entschieden, mit einer Kunstfigur anzutreten?
Wenn Du das so ausdrückst, dann sind doch alle erfolgreicheren YouTuber Kunstfiguren. Die sollen etwas darstellen, Identifikationsmaterial, und das soll Geld bringen. Thema Kunstfigur habe ich in der Frage davor ja erklärt. Ernie ist keine Kunstfigur, ich übertreibe aber wahrscheinlich manchmal ein wenig. Es ist doch so, das gilt für alle Künstler, wer will denn den Normalo sehen? Sinngemäß hat Lemmy das doch auch schon so gesagt, den netten Typen von nebenan interessiert niemanden. Und ich persönlich bin der Meinung, dass ich Dinge wesentlich klarer rüberbringen kann, wenn ich als Person vor der Kamera auch mal über die Stränge schlage, etwas zum Verdeutlichen überziehe, bewusst Scheuklappen aufsetze. „Ja, verstehe ich ja, ja, so muss man das auch sehen, hast ja recht, bla bla“, das bringt in der Diskussion keinen weiter und regt weder eine Diskussion noch einen Gedanken an. Und im Allgemeinen werde ich ja trotzdem immer verstanden.

Wie schon eingangs gesagt, mir ist schon klar, was man als klassischer YouTuber machen sollte, ich weiß schon, was angesagt ist. Aber meine einzige Möglichkeit ist es, möglichst authentisch zu sein und zu hoffen, dass mein permanent nostalgisches Geschwafel einigermaßen ankommt. Ich werde dieses Jahr 38, ich kann nicht damit ankommen, den Kids was über einen geilen Lifestyle zu erzählen.

Du sendest jede Woche einmal, immer mittwochs, teils fast einstündige Videos. Wie viel Zeit investierst du im Schnitt pro Woche in KRACHMUCKER TV?
Unterschiedlich. Wobei, die Länge eines Videos hat wenig mit dem Aufwand zu tun. Die 50minütigen Gespräche mit Kollegen schneiden sich wie von selbst, da muss ich wenig machen. Zur Vorbereitung kann ich wenig sagen, das ist unterschiedlich. Mittlerweile drehen wir an einer klassischen KRACHMUCKER-Sendung fast immer ca. 1 ½ Stunden, egal, ob die Sendung dann 15 oder 45 Minuten lang ist. Je nachdem, wie zeitig wir drehen, sitze ich dann Samstag bis Dienstag je 3-4 Stunden am Schnitt. Meistens schaffe ich aber nichts, wir drehen erst Sonntag spät und dann habe ich Montag und Dienstag nach Feierabend Stress und schlechte Laune.

Anders als bei einer Band kommt es hier auf die Regelmäßigkeit an – nervt das nicht bisweilen auch mal?
Nein, ist ja selbstgewähltes Schicksal. Ich muss es ja nicht machen, aber ich weiß noch nicht, wie lange ich das weiter in dem Rhythmus durchziehen kann. Gerade aufwändigere Sachen lassen sich kaum umsetzen, wenn ich wöchentlich abliefern will. Aber erstmal löpt dat alles noch.

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Was inspiriert dich zu deinen Sendungsthemen?
Oha, kein Plan. Ich habe immer wieder Ideen, die schreibe ich dann auf. Manche Ideen ergeben sich auch aus Zuschauerreaktionen.

Hast du Angst, dass dir die Themen irgendwann ausgehen?
Bisher nicht.

Du hast deine Band FÄULNIS, der du deine Bekanntheit ja verdankst, jetzt auf Eis gelegt – obwohl es gerade mit den letzten Alben richtig bergauf ging, sollte man meinen. Warum hast du dich so um den Lohn für die jahrelange harte Arbeit gebracht?
Welcher Lohn? Es stellt sich ja wirklich irgendwann mal die Frage, warum man das alles macht, denn der Lohn auf dem Level ist ja rein idealistischer Natur. Ich habe mit FÄULNIS mehr erreicht, als man mir zugetraut hätte, habe sehr viel erlebt, sehr viel realisieren können. Irgendwann kommt der Punkt, da weiß man, mehr geht nicht, es sei denn, man zieht auch Dinge in Erwägung, zu denen man eigentlich nicht bereit ist. Und für mich ist ein Punkt gekommen, gerade hinsichtlich „live“, da muss man einfach sagen „Aufhören, wenn es am schönsten ist“, live war teilweise so enorm, das möchte ich vielleicht einfach so in Erinnerung behalten. Und am Ende musste ich jetzt klare Kante machen, weil es so nicht weitergehen konnte. Also: Keine Mitmusiker mehr, keine Live-Gigs mehr, wieder maximale Freiheiten für mich. Nochmal deutlich, weil es da wohl zu Missverständnissen gekommen ist: FÄULNIS liegt nicht auf Eis, ich mache nur wieder, wie bis 2009, alles alleine… Außer Schlagzeug. Ey, ich kann nicht mal einen Drumcomputer vernünftig programmieren!

Du wirst uns als Musiker und Songwriter als nicht ganz abhandenkommen?
Nein, weil ich a) jederzeit ein neues FÄULNIS-Album schreiben kann und b) ich auch jederzeit eine neue Band oder ein neues Projekt gründen könnte, um mich auszudrücken. Dieses Jahr werde ich auf jeden Fall wieder die Gitarre in die Hand nehmen und einfach mal losriffen, wie früher, schauen was passiert.  Kleiner Hinweis, die Tage wird das Absolutum-Tape über The Crawling Chaos Records erscheinen, ein Projekt aus Valborg-, Total-Negation-Leuten und mir, wo ich singe.

Hast du keine Angst, dass mit dem Verschwinden von FÄULNIS auch dein persönlicher Bekanntheitsgrad abnimmt und damit das Interesse an KRACHMUCKER TV?
Keine Ahnung, ob das was miteinander zu tun hat. Aber „Angst“? Ne… wenn ich irgendwann mein ganzes Pulver verschossen habe, dann ziehe ich mich halt wieder zurück.

Vielen Dank für deine Zeit und Antworten – zum Abschluss ein kurzes Brainstorming:
Hamburg:
Würde ich nicht wieder hinziehen.
Metal: Hat mich und wird mich immer begleiten.
Rituale: Aufstehen, Kaffee trinken, aufs Klo gehen.
Bier: Geht immer.
KRACHMUCKER TV in 10 Jahren: Waynes World 3

Alle bisher erschienenen Teile dieses Specials im Überblick:

Publiziert am von

3 Kommentare zu “Krachmucker TV

  1. Ziehe ich mir jedesmal aufs Neue gerne rein. Youtube ist dass, was du draus machst Ernie beweist das recht eindrucksvoll. Ob die Themen ausgehen ist ne berechtigte Frage, aber da das hier kein Boulevard Journalismus ist, muss ich ehrlich gestehen : Ich würd Ernie auch beim 10 min Scheisse labern zuhören.

  2. Ich guck mir den Youtube-Kram nicht an, weil mich Menschen, die über Musik quatschen absolut nicht interessieren. Den guten Seuche finde ich abseits von Youtube aber trotzdem gut, weil er -so wie es scheint – sein ganzes musikalisches Zeug authentisch rüberbringt. Den Schritt mit Fäulnis zu gehen und so an sich auf alles zu scheissen (wobei das irgendwie schon immer Programm war) ist nur konsequent. Downgrading (um es mit einem gruseligen Anglizismus zu beschreiben) ist im aktuellen Zirkus sicher nicht der verkehrteste Weg. Geht es um künstlerische Freiheit oder um Kompromisse bei der Musik? Seuche und damit Fäulnis ist Ersteres und so freue ich mich tatsächlich wieder etwas mehr über Neues von ihm.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert