(Doom / Sludge / Ambient) Manche Bands hatten ganz offensichtlich bei ihrer Gründung bereits eine exakte Vorstellung davon, wie ihre Musik einmal klingen würde, wie auch am Beispiel von YEAR OF NO LIGHT zu sehen ist. Selten passten ein Bandname und die damit geweckten Assoziationen besser zur Musik: Alles niederwalzende Riffungeheuer, verschlepptes Tempo und bedrohliche Klangkulissen dominierten die bisherigen Veröffentlichungen der Band und verhalfen den Franzosen schnell zu einem hohen Bekanntheitsgrad in der Szene. Ob die Musik von YEAR OF NO LIGHT bisher eher Doom, Sludge oder doch eher schwammig als Post-Metal zu bezeichnen war, spielt keine Rolle, herrschte doch so oder so immer eine enorme Qualität vor, die nicht vor Genregrenzen haltmachte. Dieses Prinzip setzt sich auch auf dem dritten Album, „Tocsin“ fort, welches einmal mehr zeigt, wie mächtige und atmosphärische Instrumentalmusik zu klingen hat, auch wenn sich ab und an ein paar Längen einschleichen.
Gut drei Minuten dauert es, bis auf „Tocsin“ das erste Mal eine verzerrte Gitarre ertönt und den vorangehenden Aufbau aus verhallten Tönen und einzelnen Trommeln zerreißt. Nach einem schier endlosen Zögern ist es schließlich so weit und eine bedrohliche, unglaublich düstere Riffwalze marschiert unaufhaltsam nach vorne. Wie Schlangen aus einem Felsen kriechen plötzliche verschlungene, verhallte Gitarrenmelodien durch die tonnenschweren Brocken. Neben den Riffs, die sich immer wieder zu schieren Urgewalten auftürmen und wahre Felsstöße verursachen, ist es besonders das dynamische Schlagzeug, welches die Songs auf „Tocsin“ nach vorne treibt und mächtig klingen lässt. Auch wenn insgesamt nicht sehr viel in den Songs passiert, ist die schleichende Steigerung hier nahezu perfekt umgesetzt.
Nachdem die ersten 13 Minunten vergangen sind, flirren plötzlich gesechzehntelte Gitarren mit der Unterstützung von Tribalrhythmen in „Géhenne“ regelrecht los, das Tempo wird angezogen und man hat das Gefühl, eine gänzlich andere Band zu hören, die allerdings fast genauso fett klingt. Nachdem die Reise hier extrem an Geschwindigkeit zugenommen hatte, erklingen daran anschließend plötzlich Synthietöne, die beinahe an Orgeln, zumindest aber an Bläser erinnern, und das ruhige und langsame, perfekt betitelte „Désolation“ einleiten. Hier dauert es mehr als die Hälfte des Zehnminüters, bis ein Riff einsetzt, stattdessen dominieren verhallte Gitarren und pure Atmosphäre, welche von Melancholie zu Beginn mit steigender Intensität immer mehr Richtung Verzweiflung tendiert und am Schluss schließlich in sich zusammenbricht.
„Stelle Rectrix“ eröffnet mit kühlen, an Weltraum und 80er-Jahre erinnernden Synthieflächen, bevor schließlich wieder ein droniges Gitarrenriff im Stile von schnellen Sunn O))) eine Schneise in den Sound schlägt, nur um schließlich eine syrup-artige Symbiose damit einzugehen. Da der vierte Song neben diesen Synthieelementen allerdings nicht viel Neues bietet und wie bereits bei Songs zuvor am Ende im Stile des Post Rock noch einmal das Tempo anzieht, fällt das Album hier ein bisschen ab – was bei der Qualität allerdings nur einen kleinen Schnitzer darstellt. „Almüt“ zieht als Abschluss fünf Minuten einen schier unaushaltbaren Spannungsbogen nach oben, bevor „Tocsin“ nach einem Riffgewitter mit verhallten Gitarrentönen und einem dröhnenden Bass ausklingt.
Durch ein durchdachtes Songwriting, einen überragenden Albumfluss, dem perfekten Einsatz von minimal gehaltenen Melodien und einer fetten Produktion schaffen es YEAR OF NO LIGHT auch durch ihre packenden und mitreißenden Dynamiken, eine ganz eigene, hypnotische Atmosphäre zu erzeugen, die zwischen Schönheit, Verzweiflung und Dunkelheit hin und her schwenkt, ohne dabei je inkonsistent zu wirken. Dass sich ab und an ein paar Längen einschleichen und nicht jeder Moment zu hundert Prozent überzeugt, ist ein Nebenschauplatz auf einem großartigen Album. Neben „Memorial“ von Russian Circles definitiv die beste Instrumental-Metal-Platte des Jahres.
Wertung: 8.5 / 10