Review Samsas Traum – Heiliges Herz – Das Schwert Deiner Sonne

Wow. Genau das war das erste Wort, was mir in den Sinn kam, als ich begann, „Heiliges Herz – Das Schwert Deiner Sonne“ zu hören. Und auch das letzte, denn danach durfte ich erstmal auf dem Boden herumkriechen und mein Gehirn suchen, welches mir einfach mal aus dem linken Ohr rausgepustet worden war (das rechte war näher an den Boxen). Das hatte ich nun wirklich nicht erwartet. Eigentlich war die Erwartungshaltung überhaupt gar nicht mal so hoch. Umso mehr wurde sie zerknüppelt.

Bei SAMSAS TRAUM handelt es sich eigentlich auch weniger um eine Band als um den Egotrip eines einzigen genialen Geistes, an dem sich zweifellos auch hier wieder die Gemüter scheiden werden. Schon das Debüt, „Die Liebe Gottes“, wurde entweder abgöttisch geliebt oder abgrundtief gehasst. Und so verhielt es sich auch mit den folgenden Alben, von denen nicht eines den Stil des vorherigen weiterführte, sondern stets etwas neues brachte. Als Mastermind Alex Kaschte nach dem bis dahin poppigsten Scheibchen, „a.Ura und das Schnecken.Haus“, ankündigte, sich wieder seinen Wurzeln, dem dunklen norwegischen Black Metal, zuwenden zu wollen, gingen die Augenbrauen dann doch erst einmal in die Höhe. Und schossen geradezu aus dem Gesichtsfeld, als bekannt wurde, dass Adrian Erlandsson, Gründungsmitglied der legendenumrankten At the Gates, das Schlagzeug bearbeiten dürfen würde.

Und nun ist alles dahin, aller Zweifel, alle Bedenken. Denn meiner Meinung nach liegt hier ein weiteres Meisterwerk aus der Kreativschmiede Kaschte vor. Von reinem Black Metal kann man hier zwar nicht gerade sprechen, aber was hat das schon zu sagen? Denn all seine Elemente machen dieses Album äußerst abwechslungsreich. Als sei man gerade von einer Armee überrannt worden, allerdings von einer, die mit 160 Schritten pro Minute marschiert. Schon im „Zeitalter der Bäume“ findet sich alles, was diese Platte so grandios macht: Rasende Double-Bass vom Drumtier, galoppierende Riffs ala Bathory und Burzum, Melodien und, natürlich, Alexander Kaschte. Selbiger kreischt, faucht, flüstert und singt besser als je zuvor seine nihilistischen, metaphernschwangeren Texte.

Eigentlich ist jeder einzelne der 11 Songs für sich schon ein überragendes Glanzstück, doch zusammen ergeben sie, um mal die Phrasenkeule auszupacken, mehr als die einzelnen Teile. „Auf den Spiralnebeln“ liefert mal eben so, wie aus dem Ärmel geschüttelt, eine der packendsten Melodien überhaupt, derer sich aber, je öfter sich der Silberling im Player drehen darf, immer mehr auch in den anderen Songs zeigen. Egal wie lange man die Repeat-Funktion auch anlässt, es findet sich immer etwas neues, man konzentriert sich auf einen anderen Part, auf eine andere Textstelle oder lässt sich einfach vom Gesamtwerk tragen. Eine Zäsur stellt das ziemlich mittig positionierte „Liebeslied“ dar, welches nicht zufällig so heißt und sich klimatisch, ruhig beginnend, seiner Grundaussage annähert. Besonders der Gesang hierbei ist weltklasse. Danach schraubt „Der Tag stummer Rache“ das Tempo wieder auf Ausgangsniveau rauf und zeigt: Von der Nahezu-Radiotauglichkeit der a.Ura ist Heiliges Herz meilenweit entfernt.

Der Titelsong, „Heiliges Herz“, hält dann sogar noch eine Überraschung bereit, denn der epische Song ist ein Duett zwischen Diana Lueger und Kaschte. Und obwohl das Beauty-and-the-Beast-Motiv dank des Gothic Metals eigentlich mehr als ausgelutscht ist, begeistert dieses Lied von Anfang an. Die unverkennbar von Kaschte stammenden elektronischen Sounds und eine Gitarrenarbeit und Variation, von der sich so manche melodische Schwedencombo ein gute Stück abschneiden könnte, tragen ihren nicht kleinen Teil dazu bei. Vielleicht sollte erwähnt werden, dass ich, der ich eigentlich jedwede Art des Intros für eine Platte, die man mehr als einmal hören soll, für sinnbefreit erachtet, das hier vorhandene de-facto Intro mit dem mysteriösen Titel „5 + 6 = 218“ sehr mag.

Adrian Erlandsson war definitiv dir richtige Wahl, um diese kleine, runde, extrem fiese Dampfwalze einzuprügeln, denn seine Drums sind so genau wie eine Atomuhr und dennoch organischer als jeder Drumcomputer und bieten den beißenden, aber harmonischen Gitarren die treibende Grundlage, wozu sich die keineswegs unpassende Elektronik gesellt. Der gesamte Ton ist sehr sauber gemischt und unterscheidet sich damit glücklicherweise deutlich von dem Garagensound der Vorreiter. Auch die im „Liebeslied“ endlich wieder zum Einsatz kommende Bassklarinette des eigentlich einzigen zweiten ständigen Bandmitglieds neben Alexander, Daniel Schröder, ist gut hörbar. Es gibt einfach nichts, aber auch gar nichts an diesem Silberling auszusetzen. Ausgezeichnete Songs durchgehend, niemals Langeweile, laut und leise hörbar, zum Aufwachen und Einschlafen, zum Nachdenken und Abschalten. Ein Meisterwerk modernen melodischen Black Metals.

Ich prophezeie, dass auch dieser Output des Meisters wieder spalten wird und auch einige Fans der letzten Platten vergraulen dürfte (aber die können sich ja das nicht minder faszinierende und zeitgleich veröffentlichte „Wenn Schwarzer Regen“ kaufen), doch wer offenen Geistes ist und einen Sinn für Musik jenseits von unsinnigen Grenzen hat, sollte zumindest mal ein paar Ohren riskieren und in die wunderbar verrückte Welt des Alex K. eintauchen. Von mir gibt es die unbedingte Kaufempfehlung für dieses Überalbum, welches auch noch mit Bonus-CD daherkommt, auf der sich Remixe nicht unbekannter Künstler wie Peter Tägtgren (Pain, Hypocrisy), Wumpscut oder In Strict Confidence finden.

Wertung: 10 / 10

Geschrieben am 6. April 2013 von Metal1.info

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